Wehrmedizinische Monatsschrift

WEANING AUF DER INTENSIVSTATION

Protokollbasiertes Weaning aus der Bauchlage
bei Patienten mit akutem Lungenversagen

Stefan Markoffa

a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik X – Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin

 

Zusammenfassung

Die Bauchlagerung von Patienten ist elementarer Bestandteil der Beatmung von Patienten mit akutem Lungenversagen und hat spätestens vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie eine besondere Bedeutung gewonnen. Zwar existieren klare Empfehlungen für das Beenden der Lagerungsbehandlung; ein standardisiertes Vorgehen zur Durchführung der Entwöhnung von der Beatmung in Bauchlage gibt es allerdings (noch) nicht.

Am Bundeswehrkrankenhaus Berlin wurde ein Protokoll zum Weaning von Patienten entwickelt, welches in diesem Beitrag kurz vorgestellt wird.

Schlüsselwörter: Beatmung, ARDS, Bauchlage, Weaning, Protokoll

Keywords: resiscutation, ARDS, prone positioning, weaning, protocol

Einleitung

Das akute Lungenversagen (acute respiratory distress syndrome – ARDS) ist ein schweres lebensbedrohliches Krankheitsbild mit einer Mortalität zwischen 30 % und 60 %.

Klassifikation und Epidemiologie des ARDS

Die größte und noch relativ aktuelle Untersuchung zur Epidemiologie des ARDS ist die LUNG SAFE Studie (Large Observational Study to Understand the Global Impact of Severe Acute Respiratory Failure [9]). Diese wurde nach der aktuellen Berlin-Klassifikation des ARDS (siehe Tabelle 1) in 50 Ländern und 459 Intensivstationen über einen Zeitraum von 4 Wochen durchgeführt. Danach litten 10,4 % aller Patienten auf einer Intensivstation an einem ARDS. Am häufigsten fand sich ein moderates ARDS mit einer Punktprävalenz von 46,6 %, die milde Form machte 30 % der Fälle aus, bei 23,4 % lag ein schweres ARDS vor [6].

Ursachen des ARDS

Das akute Lungenversagen des Erwachsenen ist eine multifaktorielle Erkrankung mit nach wie vor hoher Letalität. Eine der häufigsten Ursachen ist die Pneumonie [6]; die Ursachen sind in absteigender Häufigkeit in Tabelle 2 dargestellt.

Tab. 1: Berlin-Klassifikation des ARDS beim Erwachsenen [10]

 

Tab. 2: Ursachen für ein ARDS nach Häufigkeit [9]

Therapie des ARDS

Die Therapie des akuten Lungenversagens beruht im Wesentlichen auf fünf Säulen. Alle Therapieanteile müssen zeitgleich erfüllt werden. Diese umfassen [8]

Es gibt bislang nur wenige evidenzbasierte allgemein wirksame Behandlungen, die von der Ursache des ARDS unabhängig sind. Diese sind [1]:

Im Folgenden wird näher auf die Behandlung in Bauchlage und die Entwöhnung davon eingegangen.

Behandlung von Patienten mit ARDS in Bauchlage

Pathophysiologie und Indikation

Primäres Ziel der Bauchlagerung bei Patienten mit ARDS ist die Verbesserung des Gasaustauschs. Das Lungenparenchym des ARDS-Patienten ist inhomogen: Die dorsalen Lungenanteile sind gut durchblutet, aber teilweise atelektatisch, in den ventralen Lungenanteilen droht Überblähung und konsekutiv Minderperfusion. Die Bauchlagerung reduziert minder- oder nicht-belüftete Areale. Daraus resultiert eine Vergrößerung des am Gasaustausch teilnehmenden Lungenvolumens. Des Weiteren kommt es zu einer homogeneren Atemgasverteilung mit verbessertem Ventilations-Perfusions-Verhältnis mit geringerem alveolärem Shunt [12].

Erstmalig konnte 2013 in der randomisiert kontrollierten PROSEVA (Proning Severe ARDS Patients)-Studie bei Patienten mit schwerem ARDS, d. h. einem Horovitz-­Index von <150 mmHg, konsequent fortgeführter pro­tektiver Beatmung und mit einer Mindestdauer der Bauchlage von 16 h eine Verbesserung des 28- und 90-­Tage-­Überlebens erzielt werden [4]. Die Ergebnisse dieser Studie konnten zahlreich reproduziert werden. Mittlerweile ist die Bauchlagerungs-Behandlung von Patienten mit ARDS eine Standardempfehlung in allen diesbezüglichen Leitlinien [3][5].

Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie „Invasive Beatmung“ gilt als Indikation für die Bauchlage [3]:

 

Für eine andauernde Besserung der Oxygenierung waren in einer Studie von CHARRON et al. im schweren ARDS ≥ 3 Perioden mit einer Dauer von je 18 h Bauchlagerung notwendig [2].

Kriterien für das Beenden der Bauchlagerungsbehandlung

Die Bauchlagerung sollte bei anhaltender Verbesserung der Oxygenierung in Rückenlage (4 h nach Rücklagerung: paO2/FiO2 ≥ 150 mmHg bei einem PEEP ≤ 10 cmH2O und einer FiO2 ≤ 0,6) oder wenn mehrere Lagerungsversuche erfolglos geblieben sind, beendet werden [3].

In allen zitierten Leitlinien sind klare Empfehlungen zum Beenden der Lagerungsbehandlungen aufgeführt. Wie diese Ziele standardisiert erreicht werden können, ist jedoch bislang noch nicht ausgewiesen.

Kontraindikationen zur Bauchlagerungsbehandlung

Eine Bauchlagerung ist kontraindiziert bei [12]:

Weaningprotokoll der Intensivstation K1 des Bundeswehrkrankenhauses Berlin zum Entwöhnen von der Bauchlagerung

„Weaning vom Respirator beginnt mit der Intubation“ [11].

Dieser Leitsatz prägt seit Jahrzehnten intensivmedizinisches Handeln. Im klinischen Alltag wurden diverse Weaningprotokolle implementiert, um das Entwöhnen vom Respirator zu standardisieren und den Behandlungserfolg zu gewährleisten. Auch für unsere Patienten existieren entsprechende Standing Operating Procedures (SOP), die Behandlungsschritte sind im Patientendatenmanagementsystem PDMS hinterlegt [7].

Die Bauchlagerung ist spätestens seit der aktuellen COVID-19-Pandemiesituation elementarer Bestandteil der additiven Beatmungstherapie [5]. Die Entwicklung eines Standards schien somit geboten, um protokollbasiert reproduzierbare Behandlungsschritte zu implementieren.

Aus der klinischen Erfahrung bei der Behandlung von Patienten mit COVID-19- und Non-COVID-19-induziertem ARDS und unter Würdigung der Leitlinienempfehlungen ist im Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Berlin folgender Standard im PDMS hinterlegt:

Tab. 3: ARDS-Network-Tabelle zur PEEP-Einstellung

Anmerkung: Die Einstellung des PEEP-Niveaus nach der ARDS-Network-Tabelle ist einfach zu bewerkstelligen, lässt aber individuelle atemmechanische Begebenheiten unberücksichtigt. Daher kann diese Methode lediglich als eine orientierende Einstellungshilfe empfohlen werden [3]. Für die patientenindividuelle Best-PEEP-Ermittlung wird auf entsprechende Publikationen verwiesen.

Dieses Vorgehen wird so lange über die folgenden Behandlungstage wiederholt, bis die Kriterien zum Beenden der Lagerungstherapie erreicht sind.

Ist nach 5 Lagerungsbehandlungen noch keine Stabilisierung erfolgt oder konnte das PEEP-Niveau nicht wie geplant gesenkt werden, wird die Lagerungsbehandlung fortgeführt. Behandlungsbeispiele sind in Tabelle 4 dargestellt.

Abb. 1: Demonstration der Umlagerung eines Patienten von Rücken- in Bauchlage (bzw. umgekehrt); je nach dessen Körpergewicht sowie Anzahl und Verlauf der Anschlüsse (z. B. mit ECMO, Dialyse etc.) ist dieses für Patient und Pflegepersonal eine belastende Prozedur, die deshalb möglichst nicht in einer in aller Regel personell schwächer besetzten Nachtschicht erfolgen sollte.

Tab. 4: Beispielhafter Behandlungsalgorithmus Bauchlage für 5 bzw. 6 Tage

*Anmerkung: Mindestens 16 h (mit Ziel 20 h) Bauchlagerung pro Behandlungstag sind anzustreben. Es sollte versucht werden, die Lagerungsintervalle zu harmonisieren, um Drehmanöver im Nachtdienst zu vermeiden.

Wenn ein erster Behandlungszyklus mit z. B. jeweils 5 Behandlungen abgeschlossen ist und die Oxygenierung des Patienten verschlechtert sich nach mehreren Tagen wieder derart, dass eine Lagerungstherapie indiziert ist, erfolgt ein neuer Zyklus mit mindestens 5 Behandlungen.

Kernaussagen

Literatur

  1. AINS: Bauchlagerung bei ARDS-Patienten. JC AINS 2018; 07(02): 86. mehr lesen
  2. Charron C, Bouferrache K, Caille V et al.: Routine prone positioning in patients with severe ARDS. Intensive Care Med 2011; 37(5): 785–790. mehr lesen
  3. Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin: S3-Leitlinie Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz. DGAI 2017; , letzter Aufruf 20. April 2021. mehr lesen
  4. Guérin C, Reignier J, Richard J-C et al.: Prone positioning in severe acute respiratory distress syndrome. N Engl J Med 2013; 368(23): 2159–2168. mehr lesen
  5. Kluge S, Janssens U, Welte T et al.: Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19. Med Klin Intensivmed Notfmed 2020; 115(3): 175–177. mehr lesen
  6. Lotz C, Lepper PM, Muellenbach RM: Akutes Lungenversagen (ARDS). Intensivmed.up2date 2019; 15(02): 135–154. mehr lesen
  7. Markoff S, Sommerer A: SOP Beatmung und Weaning. Berlin: Bundeswehrkrankenhaus Berlin, 2017.
  8. Markoff A: SOP Das akute Lungenversagen. Berlin: Bundeswehrkrankenhaus Berlin, 2017.
  9. Pham T, Rubenfeld GD: Fifty Years of Research in ARDS. The Epidemiology of Acute Respiratory Distress Syndrome. A 50th Birthday Review. Am J Respir Crit Care Med 2017; 195(7): 860–870. mehr lesen
  10. Ranieri VM, Rubenfeld GD, Thompson BT et al.: Acute Respiratory Distress Syndrome: The Berlin Definition. JAMA 2012; 307(23): 2526–2533. mehr lesen
  11. Schönhofer B: Weaning vom Respirator beginnt mit der Intubation. Pneumologe 2008; 5(3): 150–162. mehr lesen
  12. Vogt TB, Sensen B, Kluge S: Bauchlagerung bei Beatmung – Schritt für Schritt. Pneumologie 2020; 74(2): 112–116. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Markoff S: Protokollbasiertes Weaning aus der Bauchlage bei Patienten mit akutem Lungenversagen. WMM 2021; 65(6): 236-239.

Verfasser

Oberfeldarzt Dr. Stefan Markoff

Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Klinik X – Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin

Interdisziplinäre Intensivstation

Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin

E-Mail: stefanmarkoff@bundeswehr.org