Wehrmedizinische Monatsschrift

PROTOKOLLBASIERTE INTENSIVTHERAPIE

Behandlungsprotokoll zum Awake Proning bei SARS-CoV-2 induziertem Lungenversagen auf der Intensivstation K1 im Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Stefan Markoffa

a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Klinik X – Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Notfallmedizin

 

Zusammenfassung

Bei ca. 5 % der an COVID-19 erkrankten Patienten wird im Verlauf eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich. Im Falle einer invasiven Beatmung hat sich dabei die Bauchlagerung des Patienten als vorteilhaft erwiesen und ist weitgehend etabliert.

Auch für den Fall, dass eine Hypoxämie noch durch nicht invasive Methoden wie High-Flow-Sauerstofftherapie oder nichtinvasive Beatmung behandelt werden kann, sind Vorteile einer Bauchlagerung des wachen Patienten (Awake Proning) denkbar und teilweise auch bereits durch Studien belegt.

In einer laufenden prospektiven Studie wird derzeit ein möglicher Benefit von Awake Proning untersucht. Am Bundeswehrkrankenhaus Berlin wurde für diese Therapie ein Behandlungsprotokoll entwickelt, welches in diesem Beitrag vorgestellt wird.

Schlüsselwörter: SARS-CoV-2, COVID-19, Proning, ARDS, NIV, Intensivmedizin

Keywords: SARS-CoV-2, COVID-19, Proning, ARDS, NIV, intensive care

Hintergrund

Ca. 5 % der mit dem Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus Type 2 (SARS-CoV-2) infizierten Patienten werden im Verlauf ihrer Erkrankung intensivpflichtig. Zur Aufnahme auf die Intensivstation führt im Regelfall Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz; dabei steht ein Abfall der Sauerstoffsättigung mit Hypoxämie im Vordergrund. Die Zeitdauer vom Beginn der Symptome bis zur Aufnahme auf die Intensivstation beträgt etwa 8 Tage [6].

Therapeutisch stehen bei Vorliegen einer Hypoxämie bzw. einer respiratorischen Insuffizienz zunächst die Gabe von Sauerstoff über Nasensonde, Venturi-Maske, High-Flow-Sauerstofftherapie (HFOT) und Noninvasive Beatmung (NIV) im Vordergrund. Die High-Flow-Sauerstofftherapie wird bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz häufig eingesetzt und kann im Vergleich zur konventionellen Sauerstofftherapie die Notwendigkeit einer Intubation reduzieren, ohne die Sterblichkeit signifikant zu beeinflussen.

Da es besonders bei COVID-19-Patienten zu einer raschen Verschlechterung kommen kann, ist ein kontinuierliches Monitoring unter ständiger Intubationsbereitschaft zu gewährleisten. HFOT und NIV sind deshalb bei akuter hypoxämischer Insuffizienz auf der Intensivstation durchzuführen [6].

Konzept „SAVE-Berlin@COVID-19“

Die Entwicklung der COVID-19-Pandemie [2] hat auch direkte Auswirkungen auf die Patientenversorgung im Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Berlin. Der Berliner Senat stufte das BwKrhs Berlin zum Ende des Jahres 2020 von einer bis dahin Level-3- zur Level-2-Klinik gem. dem SAVE-Berlin@Covid-19-Konzept [10] ein, womit der Behandlungsauftrag von der peripher-stationären Versorgung von SARS-CoV-2-Infizierten (Level-3) um die intensivmedizinische Versorgung dieser Patienten (Level-2) erweitert wurde. Deshalb wurden sehr kurzfristig die Interdisziplinäre Intensivstation K1 zur „COVID-Intensivstation“ und die Intermediate Care Unit D1 zur „Non-COVID-Intensivstation“ umorganisiert. Seitdem werden diese Aufgaben durch gemeinsame Anstrengungen aller Klinikmitarbeiter, des nichtpflegerischen Unterstützungspersonals (z. B. Physiotherapie und Stationshilfen) und der eingesetzten pflegerischen Leasingkräfte und Honorarärzte erfolgreich erfüllt. Behandlungsprotokolle erleichtern dabei, eingesetztes Personal mit unterschiedlicher Qualifikation oder auch Leasingpersonal einheitlich auszubilden bzw. die Behandlungsverfahren hausintern zu harmonisieren.

Im Folgenden soll das Behandlungsprotokoll der Intensivstation K1 zur „Awake-Proning-Therapie“ vorgestellt werden.

Awake Proning

Die positiven Effekte der Bauchlagerungsbehandlung bei Patienten mit akutem Lungenversagen (ARDS) sind wissenschaftlich bewiesen. Im Zuge der Pandemiebewältigung wurden potenzielle Vorteile einer prolongierten nicht-invasiven Sauerstofftherapie in Kombination mit einer Bauchlagerung des wachen Patienten beschrieben. Bislang sind hierzu mehrere Fallserien erschienen [1][5][8]. In einer laufenden prospektiven Studie soll nun untersucht werden, ob sich mit Hilfe von Awake Proning die Rate an invasiver Beatmung signifikant reduzieren lässt [1]. In einer bislang hierzu veröffentlichten retrospektiven Arbeit wurde dieser Zusammenhang bislang allerdings negiert [4].

Patientenauswahl

Wichtige Voraussetzung für die Wach-Bauchlagerungsbehandlung mit NIV ist ein kooperativer Patient, der die geplante Therapieform kognitiv erfassen kann und so eine Therapieadhärenz ermöglicht. Des Weiteren muss eine engmaschige Überwachung des Patienten, insbesondere in Bezug auf Vigilanz und Sauerstoffstatus, gewährleistet sein, um indizierte Intubationen nicht zu verzögern, was den Patienten gefährden würde.

Die in Tabelle 1 aufgeführten Gegenanzeigen und Abbruchkriterien bei Durchführung einer NIV-Behandlung gelten natürlich auch bei dieser Erkrankung.

Tab. 1: Kontraindikationen und Abbruchkriterien für eine NIV

Ebenso müssen Kontraindikationen für die Durchführung der Bauchlagerung ausgeschlossen sein. Hierzu zählen [8]

Abb. 1: Bauchlagerung mit NIV-Maske (Einverständnis des Patienten zur Veröffentlichung des Bildes liegt vor)

Behandlungsprotokoll auf der Interdisziplinären Intensivstation K1 des BwKrhs Berlin

Nach Identifikation der geeigneten Patienten und deren Aufklärung werden die Patienten mit einem passenden Interface für die NIV-Therapie, z. B. einer Full Face Maske versorgt. Die Anlage eines arteriellen Katheters für die engmaschige Kontrolle der Blutgase ist obligat.

Es erfolgt nun ein protokollbasierter Wechsel von Bauchlagerung mit NIV (siehe Abbildung 1) zur Rückenlage mit High-Flow-Sauerstoffbehandlung (siehe Abbildung 2). Hierbei wird über eine Nasenbrille angefeuchtete und angewärmte Luft mit hohem Flow appliziert. Gleichzeitig kann der Sauerstoffanteil erhöht werden. Alle Beatmungsgeräte der Intensivstation des BwKrhs Berlin bieten dieses Therapieverfahren an. Hierzu ist zu Beginn der Behandlung im Auswahlmenü die Option „Sauerstofftherapie“ auszuwählen. Im Weiteren werden dann Sauerstoffkonzentration und Flow, typischerweise Beginn mit 25–35 l/min, gewählt. Die Nasenbrille ist in drei Größen verfügbar und wird mit einem Halteband am Kopf des Patienten befestigt [7]. Die Protokollschritte sind als Verordnungen im Patientendatenmanagementsystem (PDMS) der Klinik hinterlegt.

Abb. 2: Patient mit HFOT in Rückenlage (Einverständnis des Patienten zur Veröffentlichung des Bildes liegt vor)

Tab. 2: Behandlungsstufen 1–4 für Awake Proning bei durch COVID-19 bedingter Hypoxämie

Abkürzungen: N-B= NIV in Bauchlage, H-R = HFOT in Rückenlage

Bei stabilisierter Situation (Horovitz-Index 1 in Rückenlage nicht signifikant schlechter als in Bauchlage) wird eine jeweils höhere Stufe bis zum Abschluss der High-Flow-Sauerstofftherapie (HFOT) verordnet (siehe Tabelle 2). Über wie viele Tage eine Stufe beibehalten wird, ist eine individualmedizinische Entscheidung. Selbstverständlich können die Startzeiten z. B. an den Biorhythmus des Patienten adaptiert werden, ohne jedoch die Zeitintervalle für die jeweiligen Behandlungsstufen zu verkürzen.

Ist die nächste (abschließende) Stufe 5 (HFOT über 24 h) erfolgreich absolviert und der Patient im Folgenden nicht mehr auf eine HFOT angewiesen, kann dieser zur Weiterbehandlung auf eine Normalstation verlegt werden.

Die begleitenden Maßnahmen zur Therapie von COVID-19 gemäß den gültigen Leitlinienempfehlungen werden selbstverständlich ebenfalls durchgeführt [6].

Erste Ergebnisse und Fazit

Auf unserer Intensivstation haben wir mit Hilfe des hier beschriebenen Protokolls die ersten Patienten erfolgreich behandelt. Insbesondere die Therapie auf der sogenannten Stufe 1 ist für die Patienten sehr belastend, da diese insgesamt 16 Stunden/Tag in Bauchlage verbringen müssen. Jedoch ist gerade eine ausreichend lang durchgeführte Bauchlagerung gemäß aktueller Leitlinienempfehlungen ausschlaggebend für den Therapieerfolg. Aus diesem Grund haben wir diesen Algorithmus gewählt, der eine ausreichend lange Lagerungsbehandlung gewährleistet, ohne die Compliance der Patienten zu überfordern. Besonderes Augenmerk gilt dem Erkennen von Abbruchkriterien, um den Patienten keine indizierte Behandlung mittels invasiver Beatmung vorzuenthalten.

Es gilt, die Ergebnisse der prospektiven Studie [1] abzuwarten, um das Protokoll ggf. zu modifizieren.

Kernaussagen

Literatur

  1. Al-Hazzani W: Awake Prone Position in Hypoxemic Patients With Coronavirus Disease 19 (COVI-PRONE): A Randomized Clinical Trial (COVI-PRONE) 2021., letzter Aufruf 16. Mai 2021. mehr lesen
  2. Bein B, Bachmann M, Huggett S et al.: 2020) SARS-CoV-2/COVID-19: Empfehlungenzu Diagnostik und Therqapie. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2020; 55(4): 257–265. mehr lesen
  3. Cornelissen CG, Dreher M: Nichtinvasive Beatmung zur Behandlung akuter respiratorischer Insuffizienz. Med Klin Intensivmed Notfmed 2018; 113(1): 59–72. mehr lesen
  4. Ferrando C, Mellado-Artigas R, Gea A et al.: Awake prone positioning does not reduce the risk of intubation in COVID-19 treated with high-flow nasal oxygen therapy. Crit Care 2020; 24(1): 597. mehr lesen
  5. Hallifax RJ, Porter BM, Elder PJ et al.: Successful awake proning is associated with improved clinical outcomes in patients with COVID-19. BMJ Open Respir Res 2020; 7(1): e000678. mehr lesen
  6. KlugeS, Janssens U, Welte T et al.: S3-Leitlinie - Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19. AWMF-Online 2021; , letzter Aufruf 16. Mai 2021. mehr lesen
  7. 7. Markoff S: High-Flow-Sauerstoffbehandlung via Nasenbrille auf der Intensivstation. Hauszeitschrift des BwKrhs Berlin X-trablatt 2019; 11.
  8. Singh P, Jain P, Deewan H: Awake Prone Positioning in COVID-19 Patients. Indian J Crit Care Med 2020; 24(10): 914–918. mehr lesen
  9. Vogt TB, Sensen B, Kluge S: Bauchlagerung bei Beatmung – Schritt für Schritt. Pneumologie 2020; 74(2): 112–116. mehr lesen
  10. Wiesner B, Bachmann M, Blum TG et al.: Aufgaben der Weaning-Zentren im Pandemiefall COVID-19, Pneumologie 2020; 74: 358–365. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Markoff S: Behandlungsprotokoll zum Awake Proning bei SARS-CoV-2 induziertem Lungenversagen auf der Intensivstation K1 im Bundeswehrkrankenhaus Berlin. WMM 2021; 65(8): 325-327.

Verfasser

Oberfeldarzt Dr. Stefan Markoff

Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Klinik X – Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin

Interdisziplinäre Intensivstation

Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin

E-Mail: stefanmarkoff@bundeswehr.org


1 Horovitz-Index = PaO2/FiO2