Wehrmedizinische Monatsschrift

ORIGINALARBEIT

Prädiktoren der Entwicklung von Angst- und depressiven Störungen bei Einsatzsoldaten der Bundeswehr – eine explorative Pilotstudie

Predictors of anxiety disorders and depressive episodes in the context of a military deployment – an exploratory pilot study

Elena Matthäusa, Stefan Schanzeb, Christian Helmsa, Gerd D. Willmunda, Peter L. Zimmermanna,
Ulrich Wesemanna

a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Psychotraumazentrum der Bundeswehr

b Bundesministerium der Verteidigung, P III 5, Bonn

 

Zusammenfassung

Die Anwendung von Screening-Instrumenten als Ergänzung zur truppenpsychologischen Beratung im Rahmen des Erhalts und der Steigerung der psychischen Fitness bei Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gewinnt in den Streitkräften eine zunehmende Bedeutung. In dieser explorativen Pilotstudie wird untersucht, inwieweit die Anwendung solcher Screening-Skalen auch zur gezielten Prävention und Früherkennung psychischer Belastung und Überlastung einschließlich Belastungsfolgestörungen bei Soldatinnen und Soldaten genutzt werden kann. Die vorliegende Studie fokussiert konkret auf Präventionsansätze für Störungen, die im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Auslandseinsatz auftreten können. Anhand einer standardisierten Befragung mit N = 370 Teilnehmenden, die zu zwei Zeitpunkten durchgeführt wurde, konnten evidente Prädiktoren zur gezielten Prävention von Angststörungen und depressiver Episoden ermittelt werden. Hierfür werden Befragungsdaten, die vor einem Auslandseinsatz erhoben wurden, mit Daten verglichen, die unmittelbar nach dem Einsatz erhoben wurden. Das Erhebungsinstrument liegt in Form eines umfangreichen standardisierten Fragebogens unter Verwendung etablierter und validierter psychologischer Messinstrumente vor. 21 Personen (5,6 %) der Stichprobe weisen Symptome aus dem Bereich Angststörung oder Depression auf, die vor dem Einsatz nicht identifiziert worden waren. Für eine Vorhersage zur gezielten Prävention solcher Störungsbilder eignen sich gemäß den durchgeführten logistischen Regressionen jeweils 12 statistisch signifikante Items. Zu den signifikanten Prädiktoren gehören u. a. Elemente körperlicher Gesundheit, Schlafstörungen und sozialer Beziehungen. Die Ergebnisse können zur Entwicklung eines alltagstauglichen Frühwarninstruments beitragen, welches das bereits vorliegende Erhebungstool „Erfassung der ­Psychischen Fitness“ sinnvoll ergänzen und zugleich als Ausgangspunkt für weitere Forschung zur Entwicklung integrativer Standardverfahren dienen könnte.

Schlüsselworte: Prädiktoren, Auslandseinsatz, Soldaten, Psychische Fitness, Prävention

Summary

The use of screening instruments as part of the psychological care of mental fitness is gaining importance within the German Armed Forces to facilitate prevention of mental health issues in soldiers. The present approach focuses specifically on such stress symptoms that occur in conjunction with military deployments abroad. Based on a standardized survey with N = 370 respondents, which took place at two points of time, evidenced predictors are determined for focused prevention of anxiety disorder and depression. For this purpose, survey data collected prior to a deployment is compared to data obtained immediately after return from deployment. The survey instrument is in the form of a comprehensive standardized questionnaire using established and validated psychological measurement tools. Twenty-one (5.6 %) individuals in the sample ­exhibited symptoms of anxiety disorders or depression that were not identified prior to deployment. Resulting from logistic regressions, 12 statistically significant items are deemed suitable for the prevention of these exhibited stress symptoms. Significant predictors ­include items of physical health, sleep disturbance and social relationships. The results can contribute to the development of a diagnostic instrument suitable for ­everyday use, which could usefully complement the existing survey tool “Assessment of Mental Fitness” and serve as a starting point for further research on the development of integrative standard procedures.

Keywords: predictors, military deployment, military personnel, mental fitness, prevention

Hintergrund

Der Bereich der psychischen Fitness („Mental Fitness“) und der psychischen Gesundheit („Mental Health“) gewinnt in den Streitkräften zunehmend an Bedeutung. In der Bundeswehr wurde dazu im Jahre 2012 mit der Begrifflichkeit „Psychische Fitness“ eine Analogie zur „physischen Fitness“ formuliert und konzeptionell hinterlegt [8]. Etwa 170 000 Soldatinnen und Soldaten sind Angehörige der Bundeswehr. Im Durchschnitt werden jedes Jahr über 340 von ihnen mit einer einsatzbedingten psychischen Störung neu diagnostiziert [22]. Dies hat häufig nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für deren Familien negative Auswirkungen [21]. Wesentlich für die Prävention solcher Störungen und für die Stärkung von Ressourcen ist die Früherkennung psychischer Belastungen. Der Psychologische Dienst der Bundeswehr hat deshalb ein Screening-Instrument zur „Erfassung der Psychischen Fitness“ entwickelt und im März 2021 bei der Truppe eingeführt [5]. Mit dessen Hilfe wird anhand von Befragungsdaten eine spezifische Einzelberatung zur Einschätzung der aktuellen psychischen Fitness und daraus abgeleiteten bedarfsweisen Empfehlungen einschließlich einer möglichen Einbindung medizinischer Diagnostik zur Prävention und Behandlung von Belastungsfolgestörungen ermöglicht.

Voruntersuchung und weiterführende Zielsetzung der aktuellen Studie

Die vorliegende Untersuchung fokussiert ergänzend dazu auf Prädiktoren für psychische Gesundheitsstörungen, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Auslandseinsatz standen.

Ein vergleichbarer Vorschlag liegt mit der Arbeit von WESEMANN et al. (2018) vor, die als Ausgangspunkt für diese Sekundäranalyse dient. Der Ansatz nimmt psychische Fitness als Fähigkeit einer Person an, durch ihre Ressourcen und erlernbaren Kompetenzen mentale und emotionale Fähigkeiten zu verbessern [23]. Die psychische Fitness von Soldatinnen und Soldaten wurde mittels einer standardisierten Befragung ermittelt.

Anhand dieser Sekundäranalyse mit einer Stichprobe von N = 361 Soldatinnen und Soldaten wurde die Vorhersagekraft eines Instruments bestimmt, das aus nach­folgenden 4 etablierten Fragebögen besteht. Auf Seiten der unabhängigen Variablen kamen eine Kohärenz- (SOC-L9; eine Skala mit 9 Items), eine „Quality-of-Life“- (WHOQOL-Bref; 4 Skalen mit insgesamt 26 Items) und eine „Mental-Disorders“-Skala (PHQ-D; 5 Skalen mit insgesamt 78 Items) sowie Items zu posttraumatischem Wachstum (PPR; eine Skala bestehend aus 15 Items) zum Einsatz.

Der stärkste Zusammenhang mit der psychischen ­Fitness findet sich bei den Stress- und Depressions-Items der PHQ-Skala sowie der „Quality-of-Life“-Skala (r = .47–.59). Im Rahmen einer multivariaten Analyse mithilfe einer schrittweise durchgeführten linearen Regression zeigten sich Items der „Quality-of-Life“-, PHQ-D-, PTG- sowie Kohärenzskala als statistisch signifikante Prädiktoren zur Erklärung der Varianz an psychischer Fitness. Bei diesem statistischen Verfahren werden die Items schrittweise ein- bzw. ausgeschlossen, um das Modell mit der besten Aufklärung zu berechnen.

Die untersuchte Stichprobe ist zwar repräsentativ für Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, jedoch nicht für die gesamte Bundeswehr [22]. Untersuchungen anderer Autoren bestätigen die Bedeutung von demografischen, organisationalen, dispositionellen, physischen, einsatz- sowie ressourcenbezogenen Faktoren für die psychische Fitness von Soldatinnen und Soldaten nach einem Auslandseinsatz [7][13].

Die vorliegende Analyse knüpft im Rahmen einer Sekundäranalyse an die Erkenntnisse von WESEMANN et al. (2018) an, um mittels eines induktiven Vorgehens signifikante Prädiktoren für die Prävention von Angst- und Depressionssymptomen zu identifizieren. Im Kontrast zur Primäranalyse werden dabei Veränderungen im Zeitverlauf betrachtet, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Teilnahme an einem zurückliegenden Auslandseinsatz assoziieren lassen. Das Ziel besteht darin, Faktoren zu identifizieren, die mit statistischer Signifikanz einen zeitlichen Zusammenhang von Angst- und Depressionssymptomen mit der Teilnahme an einem Auslandseinsatz aufzeigen können. Damit können Grundlagen für die Prävention durch gezielte Beratung und Training zum Erhalt und zur Steigerung der psychischen Fitness vor und nach einem Einsatz gelegt werden.

Methoden

Die Prädiktoren der hier betrachteten psychischen Belastungssymptomatik, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Auslandseinsatz steht, soll anhand einer Sekundäranalyse identifiziert werden. Der zugrundeliegende Datensatz enthält Angaben von N = 370 Personen, die zu zwei Zeitpunkten erhoben wurden: Eine erste Befragung fand im September 2013 statt. Nach einem 6-moatigen NRU-Auslandseinsatz (Northern Reaction Unit; Afghanistan) in der ersten Jahreshälfte 2014 wurden die Soldatinnen und Soldaten erneut befragt. Die damit vorliegenden Längsschnittdaten ermöglichten es, solche Fälle isoliert zu betrachten, die erst nach dem Auslandseinsatz eine entsprechende Symptomatik entwickelt hatten.

Datenerhebung

Unter den verwendeten Fragebogeninstrumenten befanden sich die RS11 (ein Resilienzfragebogen), der SOC-L9 (ein Fragebogen zum Kohärenzsinn), der WHOQOL-Bref (Lebensqualität), der PHQ-D (psychische Störungen) und der PPR (posttraumatische Reifung). Als Befragungsmodi kamen wahlweise „Paper Assisted Personal Interviews“ (PAPI) oder „Computer Assisted Personal Interviews“ (CAPI) zum Einsatz. Die demographischen Daten der Stichprobe teilen sich wie folgt auf:

Tabelle 1: Stichprobenkennzahlen

Die Einteilung erfolgte mittels PHQ-D und wurde nicht durch ein klinisches Interview ergänzt. Es konnte somit differenziert werden, ob Symptome bereits vor dem Auslandseinsatz vorlagen oder die Befragten die Symptome erst nach dem Einsatz zeigten. Demnach konnten vier Gruppen unterschieden werden, wobei hier ausschließlich die Prädiktoren für die Entwicklung einer neuen psychischen Symptomatik betrachtet wurden. Der Fokus lag auf der Gruppe von Personen, die vor dem Auslandseinsatz psychisch unauffällig waren, aber nach dem Auslandseinsatz Symptome aufwiesen (n = 21; davon Depression n = 3, Angststörung n = 14, beide Störungen n = 4). Die übrigen drei Gruppen mit anderen zeitlichen Symptom-Konstellationen (vorher ja/nachher ja; vorher ja/nachher nein; vorher nein/nachher nein) dienten dabei als Vergleichsgruppe.

Statistische Auswertung

Die vorliegenden Daten wurden insbesondere nach Unterschieden zwischen Personen mit einer neu entwickelten psychischen Symptomatik und allen anderen Teilnehmenden untersucht. Für die statistische Bearbeitung dieser Fragestellung wurde eine binär logistische Regressionsanalyse durchgeführt. Da es sich um ein induktives Vorgehen zur Identifikation der Prädiktoren handelt, wurden die Antworten der oben dargestellten 11 Skalen aus den 4 Fragebögen jeweils separat mit den abhängigen Variablen in Beziehung gesetzt. Auf diese Weise lässt sich schlussfolgern, welche Items als signifikante Prädiktoren der betrachteten Symptombilder geeignet sind. Obwohl es sich um eine explorative Pilotstudie handelte, wurde im Anschluss eine Alpha-Fehler Adjustierung mittels Bonferroni-Korrektur durchgeführt. Dadurch sollte die Wahrscheinlichkeit zufällig statistisch signifikanter Ergebnisse anhand der Anzahl der untersuchten Fragestellungen pro Testverfahren bereinigt werden.

Ergebnisse

Der erste signifikante Prädiktor fand sich mit einem Item der SOC-L9-Kohärenz-Skala: „Viele Leute – auch solche mit einem starken Charakter – fühlen sich in bestimmten Situationen als traurige Verlierer. Wie oft haben Sie sich in der Vergangenheit so gefühlt?“ Die Regression ergab, dass eine ablehnende Antwort mit einer um den Faktor 0,07 geringeren Wahrscheinlichkeit einhergeht, der Gruppe mit einer „Angst-Symptomatik“ anzugehören (p < 0.001).

Im Kontext der WHOQOL-Skala zeigten sich mehrere Items als signifikante Prädiktoren. In einem dieser Items ist die Frage zu beantworten: „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Gesundheit?“ Diese weist systematische Zusammenhänge mit dem Vorliegen von Angstsymtpomatiken auf. Eine befragte Person mit einer höheren Zufriedenheit hat eine geringere Wahrscheinlichkeit, als Person mit Angstsymptomen identifiziert zu werden (p = 0.03).

Ebenfalls relevant zur Vorhersage von Angstsymptomen ist das Item: „Können Sie Ihr Aussehen akzeptieren?“ Hierbei haben Personen mit höherer Antwortausprägung eine um dem Faktor 0,49 geringere Wahrscheinlichkeit einer Angstsymptomatik.

Statistische Zusammenhänge zwischen Items zu „subjektiver Zufriedenheit mit der Gesundheit“ beziehungsweise „Akzeptanz des Aussehens“ und Depressions-Symptomatiken konnten dagegen nicht gezeigt werden.

Für das Neuauftreten von „Angstsymptomen“ wurden Items zu „Rückenschmerzen“ (OR = 3,39, p = 0.01), „Niemanden zu haben, mit dem man Probleme besprechen kann“ (OR = 2,38, p = 0.04) und „Belastung durch die Versorgung von Kindern, Eltern oder anderen Familienangehörigen“ (OR = 2,50, p < 0.001) als signifikante Prädiktoren identifiziert. Für die Prognose von depressiven Symptomen waren die letztgenannten beiden Items signifikant (OR = 4,91, p < 0.001/OR = 4,44, p < 0.01). Auch im Messinstrument zu posttraumatischem Wachstum PPR fanden sich zwei signifikante Prädiktoren zur Vorhersage von Angstsymptomen, nicht jedoch für Depressions-Symptomatik. Für letzteres sind dagegen insbesondere die Gesamtskala „Wertschätzung des Lebens“ (OR = 1,14, p < 0.05) und das Einzelitem der „Vorstellungen darüber, was im Leben wichtig und vorrangig ist“ (OR = 1,48, p < 0.01) von Bedeutung.

Für die unabhängigen Variablen wurden außerdem Differenzen aus den beiden Messzeitpunkten T1 und T2 gebildet, deren Varianzen erneut auf ihre Prognosekraft untersucht wurden. In diesem Zusammenhang zeigten sich die Veränderungen zwischen den Messzeitpunkten der Skala „Physisch“- (OR = 0,95, p < 0.05) sowie der Soziale-Beziehungen-Skala (OR = 0,97, p = 0.01) aus WHOQOL und der Stress-Skala aus PHQ-D (OR = 1,45, p < 0.01) relevant zur Vorhersage von Depressions-­Symptomatik.

Tabelle 2: Binär-logistische Regressionsanalyse zur Prädiktion der Testitems von Angst und Depression

SOC-L9: Sense of Coherence; WHOQOL: World Health Organization Quality of Life; PHQ: Patient Health Questionnaire; PPR: Posttraumatische persönliche Reifung;
OR: Odds ratio; p: Signifikanzniveau; n.s.: nicht signifikant; fett: auch nach Bonferroni-Korrektur signifikant

Diskussion und Schlussfolgerungen

Das Ziel der Untersuchung war die Identifikation von Prädiktoren für Angst- und Depressions-Symptomatik, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Auslandseinsatz stehen. Diese sollen zukünftig für Präventionsansätze genutzt werden können. Der zeitliche Zusammenhang mit einem Auslandseinsatz konnte in dieser Studie weitgehend isoliert betrachtet werden, da Daten vor und nach dem Einsatz vorlagen.

Die Bedeutung sozialer Ressourcen im Hinblick auf die psychische Fitness wurde bestätigt. Negative Veränderung in der Zufriedenheit mit sozialen Beziehungen sowie ein Mangel an Ansprechpartnern zur Auseinandersetzung mit Problemen gehen demnach häufiger mit depressiven Symptomen einher. Diese Ergebnisse sind jedoch aufgrund der nicht signifikanten Bonferroni-Korrektur noch als vorläufig zu betrachten.

Der positive Einfluss des Kohärenzsinns auf die psychische Gesundheit konnte bereits in früheren Studien gefunden werden [4][19]. Nach dieser Untersuchung sollte er auch für den militärischen Bereich der Bundeswehr weiter in Betracht gezogen werden.

Der Einfluss von Lebensqualität auf die mentale Fitness konnte bereits in militärischen Populationen belegt werden [6]; ebenfalls konnte umgekehrt eine Verschlechterung der mentalen Fitness die Verschlechterung der Lebensqualität vorhersagen [15]. Damit könnte die Erfassung von Lebensqualität nicht nur als Prädiktor, sondern auch als früher Indikator genutzt werden. Jedoch konnten auch diese Werte einer Bonferroni-Korrektur nicht standhalten.

In einer Studie mit 1 396 Überlebenden eines Erdbebens konnten sowohl soziale Unterstützung als Bestandteil von Lebensqualität als auch posttraumatisches Wachstum die Wahrscheinlichkeit für Suizidgedanken und suizi­dales Handeln verringern [10]. Dies ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass sich wahrgenommene, aber nicht wirklich vorhandene, Einschränkungen negativ auf die Lebensqualität auswirken können [1]. Vor dem Hintergrund der Bonferroni-Korrektur sollten die Ergebnisse dieser Studie jedoch auch noch vorsichtig interpretiert werden.

Auch posttraumatisches Wachstum allein konnte in einer militärischen Stichprobe mit weniger Belastung durch posttraumatische Belastungsstörungen und einem höheren psychischen Funktionsniveau in Verbindung gebracht werden [9][12].

Damit haben sich neben Vulnerabilitätsfaktoren vor allem Resilienzfaktoren als gute Indikatoren für die mentale Fitness erwiesen.

Die Ergebnisse können für die weitere Forschung einen geeigneten Ausgangspunkt bilden, um die als relevant identifizierten Determinanten tiefergehend zu untersuchen und sie um weitere Faktoren zu ergänzen, die mit Hilfe der vorliegenden Skalen nicht erfasst wurden. Darüber hinaus könnte in einem nächsten Schritt ein theoretisch begründetes und integratives Modell berechnet werden, das den Einfluss der berücksichtigten unabhängigen Variablen vergleichbar macht. Mit Hilfe eines komplexeren Modells könnten ferner Rückschlüsse auf die Höhe der noch unaufgeklärten Unterschiede im Antwortverhalten gezogen werden. Weitere Arbeiten sind nötig, um ein alltagstaugliches Screening-Instrument zur (Früh-)Erkennung psychischer Symptomatiken zu entwickeln, die in Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Auslandseinsatz auftreten können. Ein übergeordnetes Ziel besteht dann auch darin, solche Inhalte in entsprechenden Ausbildungen des Fachpersonals zu vermitteln [2][14].

Limitationen

Eine Limitation der Untersuchung ergibt sich aus den nicht zu klärenden Kausalmechanismen. Die Vermutung erscheint zulässig, dass aufgrund der zeitlichen Abfolge eventuelle Veränderungen der Interviewantworten zum Zeitpunkt T2 mit der Teilnahme an einem Auslandseinsatz der Soldatinnen und Soldaten in Zusammenhang stehen, aus dem sie unmittelbar vor der Messung zurückkehrten. Mögliche alternative Ursachen für das veränderte Antwortverhalten können jedoch auch auf andere, hier nicht beobachtete, Faktoren zurückzuführen sein. Dies könnten Alter, Dienstgrad, Nähe zu kritischen Ereignissen, Verantwortung, Ereignisart und Vorerfahrungen sein [3][12][17–19][21]. Mit dem Einschluss einer Kontrollgruppe, könnte dieses Problem gelöst werden. Als problematisch für die Aussagekraft der Untersuchung stellt sich außerdem die geringe Varianz mit Blick auf die dichotome Unterscheidung zwischen symptomfrei und symptombelastet heraus, sodass nur 21 Soldatinnen und Soldaten eine der hier betrachteten Symptomkomplexe aufweisen. Der Anteil zeigt sich jedoch hinsichtlich der Prävalenz konsistent mit vergleichbaren Untersuchungen. Es ist daher anzunehmen, dass sich bei einem höheren Stichprobenumfang weitere Items als geeignete Prädiktoren erweisen könnten. Soziobiographische Merkmale wie Alter oder Dienstgradgruppe wurden in dieser Pilotstudie mit einer sehr homogenen Teilnehmergruppe nicht berücksichtigt, so dass dies zu Verzerrungen der Ergebnisse führen kann. Diese werden in Folgeuntersuchungen mit größerem Stichprobenumfang berücksichtigt. Aufgrund des explorativen Charakters der Untersuchung ist eine konfirmatorische Studie notwendig, um die Ergebnisse weiter gegen den Zufall abzusichern. Bei der Bonferroni-Korrektur handelt es sich um eine sehr konservative Methode. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse, die dieser Korrektur „standhielten“, sich auch in einer konfirmatorischen Analyse bestätigen werden.

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Manuskriptdaten

Eingereicht: 14. Juli 2021

Nach Überarbeitung angenommen: 23. August 2021

Zitierweise

Matthäus E, Schanze S, Helms C, Willmund DG, Zimmermann PF, Wesemann U: Prädiktoren der Entwicklung von Angst- und depressiven Störungen bei Einsatzsoldaten der Bundeswehr – eine explorative Pilotstudie. WMM 2021; 65(11): 419-423.

Für die Verfasser

Dr. Ulrich Wesemann

Bundeswehrkrankenhaus Berlin

Psychotraumazentrum der Bundeswehr

Scharnhorststr. 13, 10115 Berlin

E-Mail: uw@ptzbw.org

Manuscript data

Submitted: July 14,2021

After revision accepted: August 23, 2021

Citation

Matthäus E, Schanze S, Helms C, Willmund DG, Zimmermann PF, Wesemann U: Predictors of anxiety disorders and depressive episodes in the context of a military deployment – an exploratory pilot study. WMM 2021; 65(11): 419-423.

For the authors

Dr. Ulrich Wesemann

Bundeswehr Hospital Berlin

Bundeswehr Psychotrauma Center

Scharnhorststr. 13, D-10115 Berlin

E-Mail: uw@ptzbw.org