Wehrmedizinische Monatsschrift

Herausforderungen bei der Etablierung und Umsetzung von ­Listerien-Präventionskonzepten in Lebensmittelunternehmen

Marcus Langena

a Dr. Berns Laboratorium GmbH & Co. KG, Neukirchen-Vlyn

 

Einleitung

Im Jahr 2020 wurden dem Robert-Koch-Institut für Deutschland 575 Listeriose-Fälle gemeldet. Besonders häufig sind Infektionen mit Listeria monocytogenes bei Schwangeren und deren ungeborenen Kindern, Neugeborenen, alten Menschen und bei Patienten mit einer abgeschwächten Immunabwehr (sog. YOPI). Die Listeriose geht mit einer sehr hohen Sterblichkeitsrate von 20–30% einher, wenn sie nicht rechtzeitig mit antibiotischen Therapien behandelt wird. Aufgrund der Kontamination von verzehrfertigen Lebensmitteln mit Listeria monocytogenes kommt es inzwischen regelmäßig zu öffentlichen Rückrufen von Lebensmitteln tierischer und pflanzlicher Herkunft über das europäische Schnellwarnsystem (RASSF). Die Verhinderung einer Kontamination von verzehrfertigen Lebensmitteln mit Listeria monocytogenes stellt Lebensmittelunternehmen vor eine Reihe von Herausforderungen.

Herausforderungen an Lebensmittelunternehmen

Herausforderung I

Bestimmte Rohstoffe können Listeria monocytogenes als Teil der natürlichen Flora in den Produktionsprozess eintragen.

In der Umwelt kommen Listerien u. a. in Wasser, im Erdboden, auf oder in Pflanzen, in Silage, in Kot, Mist und Gülle vor. Listerien können als „natürliche Kontamination“ verschiedener Primärprodukte wie Obst, Gemüse, Milch und Fisch, aber auch im Fell, auf der Schwarte und Gefieder von Schlacht- und Wildtieren vorkommen. Ausgehend von der (meist oberflächlichen) Kontamination der Primärprodukte können Listerien nach derzeitigem Stand der Technik während der Verarbeitungsprozesse auch auf Schnittflächen oder in Verarbeitungsprodukte übertragen werden. Sofern der Herstellungsprozess keinen listeriziden Prozessschritt aufweist, sind durch solche Rohstoffe eingetragene Listerien regelmäßig auch in daraus hergestellten Verarbeitungsprodukten nachweisbar.

Herausforderung II

Listerien sind ein Paradoxon. Sie sind ein allgegenwärtiger Nischen-Keim.

Listerien können sich – geschützt vor Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen – vor allem an schwer zugänglichen Stellen an Ausrüstungsgegenständen, in Maschinen, Spalten und Ritzen oder in Biofilmen in der betrieblichen Infrastruktur festsetzen.

Es bedarf ständiger Anstrengung, solche Nischen, die im laufenden Betrieb kontinuierlich entstehen, aufzuspüren und zu beseitigen.

Herausforderung III

Gereinigt und desinfiziert heißt nicht sauber und frei von Listerien

Selbst wenn alle Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen optimal durchgeführt werden, können Listerien überleben. Ein gegen Listerien wirksames Desinfektionsmittel muss auf einer gereinigten Fläche ausreichend lange in der richtigen Dosierung und bei der richtigen Temperatur auf die Listerien einwirken. Diese Voraussetzungen sind v. a. in „Nischen“ oftmals nicht gegeben! Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen sollten auch für schlecht zugängliche Bereiche validiert und deren Wirksamkeit verifiziert werden. Die Durchführung der Maßnahmen sollte regelmäßig kontrolliert werden.

Herausforderung IV

Eine Hygieneschleuse ist nicht deshalb hygienisch, weil sie das Wort „Hygiene“ enthält.

Hygieneschleusen werden teilweise planlos und ohne Validierung und Verifizierung ihrer Wirksamkeit installiert. Maßnahmen zur Reinigung und Desinfektion insbesondere von Sohlenreinigungsvorrichtungen können auch während der Produktion sinnvoll bzw. erforderlich sein, da sie ansonsten leicht zur Quelle für Listerien-Kontaminationen im Produktionsumfeld werden können (Abbildung 1).

Abb. 1: Kontaminationsrisiko Sohlenreiniger?

Herausforderung V

Mit Listerien ist es wie mit Zähnen – wenn man nur oberflächlich putzt oder saniert, gammelt es unten weiter!

Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung oder Beherrschung des von im Produktionsumfeld vorkommenden Listeria monocytogenes ausgehenden Risikos müssen gut überlegt sein und bauliche Maßnahmen an der Infrastruktur professionell ausgeführt werden.

Bis eine nachhaltige Korrekturmaßnahme gefunden und umgesetzt ist, kann es erforderlich sein, kurzfristige Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Diese Sofortmaßnahmen dürfen manchmal auch unkonventionell sein (z. B. Reduktion der Frequenz oder Modifikation der Art von Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen in bestimmten Produktionsbereichen, um die eine unkontrollierte Verteilung von Listeria monocytogenes im Produktionsumfeld zu vermeiden).

Herausforderung VI

Monitoring: Während einige den Wald vor Bäumen nicht sehen, sind andere noch auf dem Weg zum Wald.

Das vorrangige Ziel des Listerien-Monitorings ist, Listerien da aufzuspüren, wo sie nicht sein sollten! Manchmal werden falsche Probenahmeverfahren angewendet oder wenig sinnvolle Probenahmestellen gewählt, sodass die Monitoring-Ergebnisse nicht geeignet sind, das tatsächliche Listerienrisiko abzubilden.

Die Verordnung (VO) (EG) Nr. 2073/2005 enthält wenig konkrete Vorgaben zur Durchführung des Listerien-Umfeldmonitorings. Wo es die Fläche zw. Probenahmestelle zulässt, sollten Oberflächen grundsätzlich mit Schwämmen oder Tüchern beprobt werden, die in verschiedenen Ausführungen und von verschiedenen Herstellern angeboten werden. Mit ihnen können problemlos Flächen von 1 000 bis 3 000 cm² beprobt werden (EURL 2012, ISO 18593:2018–10). Watte- bzw. Stieltupfer sollten nur an solchen Stellen zum Einsatz kommen, wo eine Probenahme mittels Schwamm oder Tuch nicht möglich ist. Die gezogenen Umfeldproben sollten bis zur Untersuchung (möglichst nicht später als 24 h nach Probenahme) in einem geeigneten Transportmedium gelagert werden. Hier eignet sich z. B. sterile Kochsalzlösung. Werden Proben unmittelbar nach Reinigung und Desinfektion gezogen oder ist mit Rückständen von dabei eingesetzten Mitteln zu rechnen, sollte das Transportmedium entsprechend enthemmende Wirkstoffe enthalten, die die Wirkung der Mittelrückstände im Transportmedium hemmt. Trockene Flächen sollten mit zuvor angefeuchteten Schwämmen, Tüchern oder Tupfern beprobt werden. (EURL 2012, ISO 18593:2018–10).

Es ist sinnvoll, die Probenahmestellen risikoorientiert festzulegen und dabei sowohl Flächen zu berücksichtigen, die direkten Kontakt mit dem Lebensmittel haben (FCS = food contact surfaces), als auch solche, die in keinen direkten Kontakt zum Lebensmittel stehen (NFCS = non food contact surfaces). Die Probenahme-Frequenz für das Routine-Umfeldmonitoring ist u. a. abhängig von Betriebsgröße, Zustand der Infrastruktur und dem Produktportfolio. Die Spanne kann sich von mehrmals pro Woche bis einmal jährlich bewegen. FSIS (2014) empfiehlt die Beprobung von mindestens 3 bis 5 FCS-Probenahmestellen pro Linie und Probenahme-Tag. Der optimale Probenahmezeitpunkt ist abhängig von der jeweiligen Fragestellung: Probenahmen können nach oder während Produktion, nach oder während Reinigung und Desinfektion oder unmittelbar vor Produktionsbeginn sinnvoll sein. Die Probenahme sollte so geplant werden, dass sie unterschiedliche Wochentage abdeckt.

Um bei der Vielzahl der möglichen FCS und NFCS den Überblick zu behalten und die Ergebnisse besser systematisieren zu können kann es in Abhängigkeit der Betriebsstruktur und Größe helfen, die NFCS in Abhängigkeit ihrer Nähe zu FCS weiter zu differenzieren. Die FDA (2017) empfiehlt beispielsweise die Umfeldproben wie folgt zu systematisieren:

Anders als bei den Umfeldproben, enthält die Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 mit Blick auf die Untersuchung von Produktproben zahlreiche Vorgaben, die es zu beachten gilt. Dazu gehört vor allem zunächst die korrekte Eingruppierung der verzehrfertigen Lebensmittel gemäß der im Anhang I Kapitel 1 genannten Lebensmittelkategorien. Des Weiteren sind die Probenahmepläne gemäß Anhang I Kapitel 1 der Verordnung zu beachten. Die Untersuchung der Proben muss zwingend entweder mit den dort genannten Referenzverfahren (EN/ISO 11290–1 bzw. EN/ISO 11290–2) oder mit einem gemäß Artikel 5 der VO (EG) Nr. 2073/2005 zulässigen Alternativverfahren erfolgen.

Herausforderung VII

Monitoring ist keine Korrekturmaßnahme!

Nicht selten werden über lange Zeiträume im Umfeldmonitoring Stellen beprobt, die ein Habitat/eine Nische für Listerien sein könnten, um zu belegen, dass es dort kein Listerien-Problem gibt (Abbildung 2). Statt Geld für solche Analysen zu investieren, sollten hier besser die finanziellen Mittel für Korrekturmaßnahmen (Beseitigen der Nischen, Optimierung der Abläufe, Umstrukturierung, usw.) bereitgestellt werden.

Abb. 2: Bodenschäden – eine Nische für Listerien im Produktionsumfeld

Fazit

Bei der Etablierung und der Umsetzung von Listerien-Präventionskonzepten in Lebensmittelbetrieben muss man sich zahlreichen Herausforderungen stellen.

Dies sollte aber nicht entmutigen, die Herausforderungen anzunehmen und Lösungen dafür zu finden. Es bedarf ständiger Anstrengung, das von Listeria monocytogenes ausgehende Risiko für die Gesundheit der Verbraucher auf einem akzeptablen Niveau zu halten.

Literaturhinweise

  1. European Union Reference Laboratory for Listeria monocytogenes: Guidelines on sampling the food processing area and equipment for the detection of Listeria monocyotogenes. Version 3. EURL Lm 2012; , letzter Aufruf 21. Oktober 2021. mehr lesen
  2. Langen M: Suchst Du noch oder beherrscht Du schon? Problemfelder und Lösungsansätze bei der Listerien-Prävention in Schlacht-, Zerlege- und Fleisch verarbeitenden Betrieben, Fleischwirtschaft 2019; 12: 88-94. mehr lesen
  3. US Food and Drug administration: Draft Guidance for Industry: Control of Listeria monocytogenes in Ready-To-Eat Foods. FDA 2017; < https://www.fda.gov/regulatory-information/search-fda-guidance-documents/draft-guidance-industry-control-listeria-monocytogenes-ready-eat-foods>, letzter Aufruf 21.Oktober 2021. mehr lesen
  4. USDA Food Safety Inspection Service: Controlling Listeria monocytogenes in Post-lethality Exposed Ready-to- Eat Meat and Poultry Products. FSIS 2014; , letzter Aufruf 21. Oktober 2021. mehr lesen

 

Verfasser
Dr. med. vet. Marcus Langen
Dr. Berns Laboratorium GmbH & Co. KG
Bendschenweg 36, 47506 Neukirchen-Vluyn
E-Mail: marcus.langen@drberns.de

Vortrag beim 52. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie (14.–16. Oktober 2021 in Koblenz)