Wehrmedizinische Monatsschrift

Simulation von Alterungsprozessen
in Bottled Water der Bundeswehr (Vortrags-Abstract)

Johannes von Einsiedela, Britta Schröderb, Thomas Timmb

a Überwachungsstelle für öffentlich-rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr West

b Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr München, Außenstelle Koblenz

 

Einleitung

Ob in Auslandseinsätzen, bei Übungsvorhaben oder im Rahmen der Katastrophenhilfe: Zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ist die Versorgung von Soldatinnen und Soldaten mit sauberem Trinkwasser eine Grundanforderung. Die Bundeswehr ist dabei in der Lage, sauberes Trinkwasser für den täglichen Bedarf mit eigenen Wasseraufbereitungsanlagen direkt vor Ort bereitzustellen. Für den Verzehr wird jedoch auf abgefülltes Flaschenwasser („Bottled Water“) zurückgegriffen, welches bei kommerziellen Anbietern erworben und in die Einsatzregion gebracht wird.

Die Eignung kommerzieller Produkte, insbesondere für tropische Einsatzregionen, ist seitens des Herstellers nicht zwingend untersucht. Die angegebenen Haltbarkeiten beziehen sich meist auf eine kühle, trockene Lagerung, die in den Einsatzregionen nicht immer sichergestellt werden kann. Nachteilig ist zudem, dass die Beschaffung von Bottled Water oftmals mit einem hohen logistischen Aufwand, einer Abhängigkeit vom Anbieter und einer permanenten Sabotagegefahr verbunden ist. Aus den genannten Gründen wäre daher die Abfüllung stabilitätsgeprüfter, bundeswehreigener Produkte direkt in der jeweiligen Einsatzregion erstrebenswert.

Bereits jetzt verfügt die Bundeswehr über sogenannte Trinkwasserabfüllanlagen (TWAA) der Spezialpioniere, mit denen Trinkwasser in Flaschen (vergleiche Abbildung 1) oder Beuteln ortsunabhängig abgefüllt werden kann. Dazu können die Anlagen mit lokalen Leitungsnetzen, aber auch mit Wasseraufbereitungsanlagen der ABC-Abwehrkräfte (z. B. WTC 1600, Abbildung 2) gekoppelt werden. Aufgrund der modularen Bauweise können die Anlagen schnell, flexibel und agil verlegt werden, wie z. B. bei der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021, bei der die WTC 1600 zum Einsatz kam.

Abb. 1: Abgefülltes Trinkwasser (Bottled Water) aus der Trinkwasserabfüllanlage der Bundeswehr

Abb. 2: Mobile Wasseraufbereitungsanlage WTC 1600

Um einen Einsatz des aus der TWAA stammenden Bottled Waters in allen Teilen der Welt zu ermöglichen, fehlen jedoch noch ausreichende Langzeit- und Stabilitätsdaten. Dies bedingt auch die derzeitige Haltbarkeit der Flaschen von maximal 6 Monaten nach Abfüllung bei optimalen Lagerungsbedingungen.

Ziel dieser Arbeit war die Erhebung von Langzeit- und Stabilitätsdaten unter Simulation verschiedener Klimazonen. Relevante chemische, physikalische und mikrobiologische Veränderungen sollten in einen rechtlichen und toxikologischen Kontext gerückt und bewertet werden. Darüber hinaus sollten Langzeitdaten erhoben werden, um zu prüfen, ob die Verwendbarkeit über die bisherigen 6 Monate hinaus ausgedehnt werden kann.

Methodik

In einem zwölfmonatigen Lagerungsprojekt wurden verschiedene Chargen Bottled Water aus der TWAA der Spezialpioniere unterschiedlichen klimatischen Bedingungen ausgesetzt (vergleiche Abbildung 3). Die Simulation des in Einsätzen vorherrschenden Klimas erfolgte im Labormaßstab unter Nutzung von vollautomatischen Klimakammern, welche Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Lichteinfall steuern, sowie eines Ultratiefkühlschranks. Die Vorgaben zu Temperatur (-46 °C, +39 °C und +49 °C) und Luftfeuchtigkeit (50% relative Luftfeuchte) richteten sich nach den Anforderungen des NATO Standardization Agreement (STANAG) 4370 [3] sowie der Allied Environmental Conditions and Test Publication (AETCP) 230 [2]. In diesen Grundsatzdokumenten können Testbedingungen für heiße bzw. kalte Regionen aus Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsverläufen weltweiter Klimadaten abgeleitet werden.

Abb. 3: Schematische Darstellung des Versuchsablaufs des zwölfmonatigen Lagerungsprojektes: Nach einer Eingangsuntersuchung wurden die Proben bei unterschiedlicher Temperatur und Luftfeuchtigkeit gelagert. Neben den jeweiligen Abschlussuntersuchungen nach zwölf Monaten erfolgten Entnahmen nach ein, drei und sechs Monaten. Darüber hinaus wurden Belastungsversuche bei extremer Kälte (-46 °C) sowie unter dem Einfluss von Tageslicht bei einer Lagerdauer von 1 Monat vorgenommen.

Als Referenz dienten parallel dazu bei Raumtemperatur (20 °C) gelagerte Proben. Die Daten wurden bei Probeneingang sowie nach ein, drei, sechs und zwölf Monaten erhoben.

Darüber hinaus wurden Sonderuntersuchungen mit einer Lagerdauer von einem Monat durchgeführt, um einerseits den kurzfristigen Einfluss von Sonneneinstrahlung („Tageslicht“, z. B. beim Abladen im Feldlager) und andererseits die Belastungen extremer Kälte (-46 °C, z. B. beim ungeschützten Lufttransport) zu simulieren.

Ergebnisse

Die zu Lagerungsbeginn untersuchten Proben zeigten eine für Trinkwasser typische chemische und sensorische (Geruch/Geschmack) Beschaffenheit. Es wurden keine chemischen Kontaminationen wie Schwermetalle, Lösungsmittel oder Aufbereitungsstoffe festgestellt. Gleiches galt für die mikrobiologische Beschaffenheit.

Nach Lagerung ohne externe klimatische Einflüsse (Raumtemperatur, Lichtausschluss), also optimalen Bedingungen, zeigten die Proben über zwölf Monate hinweg keine nachteiligen Veränderungen. Auch ein Tieffrieren auf -46 °C und anschließendem Auftauen führte zu keinen wesentlichen Qualitätsunterschieden.

Bei erhöhten Temperaturen (+39 °C/+49 °C) waren nach sechs und zwölf Monaten ein leichter Geschmack und Geruch nach Kunststoff festzustellen. Die Kunststoff­flaschen selbst waren bis sechs Monate nach Lagerungsbeginn ohne Veränderungen, wiesen nach zwölf Monaten jedoch irreversible Verformungen auf. In den Proben selbst bildete sich ein bräunlicher, kristalliner Niederschlag unbekannten Ursprungs. Die bei +49 °C gelagerten Proben wiesen zudem einen Volumenverlust von 10% gegenüber dem Ausgangswert auf.

Im Laufe der Untersuchungen wurde mit zunehmender Lagerungsdauer bei +39 °C und +49 °C ein kontinuierlicher Anstieg von Antimon festgestellt. Die Lagerung unter Tageslicht hatte keinen zusätzlichen Einfluss. Der höchste, gemessene Antimongehalt lag nach zwölf Monaten und +49 °C bei 0,0067 ± 0,0011 mg/L. Zu Lagerungsbeginn, bei Raumtemperatur sowie bei -46 °C lagen die Antimongehalte unterhalb der Bestimmungsgrenze (< 0,0007 mg/L).

Bei keiner der gewählten Lagerungsarten ergaben sich mikrobiologische Auffälligkeiten.

Abb. 4: Mittlere Antimongehalte [mg/L] in Bottled Water: Es ist ein kontinuierlicher Anstieg der Gehalte mit fortschreitender Lagerungsdauer in Abhängigkeit von der Lagerungstemperatur zu verzeichnen. Bei Probeneingang, bei Raumtemperatur sowie bei -46 °C liegt kein Gehalt oberhalb der Bestimmungsgrenze (< 0,0007 mg/L). Die 1-monatige Bestrahlung mit Tageslicht (gelber Balken) hat keinen zusätzlichen Einfluss. (Fehlerbalken = Standardabweichung)

Diskussion

Antimon ist ein toxikologisch relevantes Schwermetall, welches als Katalysator bei der Herstellung von Polyethylenterephthalat (PET) eingesetzt wird und nach der Produktion in Spuren im Flaschenmaterial verbleibt. Die im Trinkwasser bestimmten Gehalte widersprechen keinen derzeit gültigen Rechtsnormen, da der Grenzwert von 0,0050 mg/L gemäß Trinkwasserverordnung nur am Ort der Abfüllung gilt und der Grenzwert von 0,04 mg/kg Lebensmittel gemäß EU-Kunststoffverordnung Nr. 10/2011 nicht überschritten wurde [1][5].

Die toxikologische Relevanz von Antimon ergibt sich bei wiederholter Exposition mit therapeutischen Mengen Antimon, für die eine Schädigung des Sehnervs, Uveitis sowie Retinablutungen beschrieben wird [4]. Genotoxische bzw. karzinogene Effekte in vivo sind bislang nicht bekannt. Die Weltgesundheitsorganisation leitet aus den Daten eine tolerierbare, tägliche Aufnahmemenge (Tolerable Daily Intake, TDI) von 0,006 mg/kg Körpergewicht ab [6]. Um diesen Wert zu erreichen, müsste ein 60 kg schwerer Erwachsener täglich > 46 Liter des o.g. Bottled Water zu sich nehmen. Eine Gesundheitsgefährdung kann somit selbst für den höchsten gemessenen Gehalt sicher ausgeschlossen werden.

Die übrigen Daten zeigen, dass kurzfristige thermische Belastungen sowie die Wirkung von Tageslicht die sensorische, chemische und mikrobiologische Qualität des Trinkwassers sowie des Verpackungsmaterials nicht nachteilig beeinflussen. Die Lagerung unterhalb des Gefrierpunktes beeinträchtigt zudem nicht die Stabilität der Flaschen. Bei konstant heißen Temperaturen ist nach einer gewissen Latenzzeit (6 Monate) mit einer Minderung des Genusswertes durch Geruch und Geschmack nach Kunststoff zu rechnen. Bei extremen Bedingungen kommt es zudem zu irreversiblen Verformungen der PET-Flaschen, einer erhöhten Wasserdampflässigkeit des Materials sowie bräunlichen, kristallinen Ausfällungen.

Die erhobenen Daten belegen, dass bei sachgerechter Lagerung Haltbarkeiten von mindestens zwölf Monaten nach Abfüllung möglich sind, was insbesondere für eine umfangreiche Bevorratung im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung von Vorteil ist.

Fazit und Ausblick

Die Abfüllung und Bevorratung von sicherem und stabilem Trinkwasser durch eigene Kräfte der Bundeswehr ist eine essenzielle Fähigkeit, welche es ermöglicht, lageangepasst unabhängig, flexibel und agil agieren zu können. Durch die Schaffung einer einheitlichen Datenbasis kann das Bottled Water unbedenklich in Auslandseinsätzen, auf Übungen oder im Rahmen der Katastrophenhilfe eingesetzt werden. Die Migration von Antimon kann dabei als geringes tolerables Risiko bei der Überwachung des Produktes angesehen werden. Insbesondere bei langer Lagerung in warmen Klimazonen sollte dieser Parameter routinemäßig kontrolliert werden.

Literatur

  1. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung - TrinkwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 2016 (BGBl. I S. 459), zuletzt geändert durch Art. 99 der Verordnung vom 19 Juni2020 (BGBl. I S. 1328). mehr lesen
  2. North Atlantic Treaty Organization (NATO): Allied Environmental Conditions and Test Publication (AECTP) 230: Climatic Conditions. Edition 1 von Mai 2009.
  3. North Atlantic Treaty Organization (NATO): Standardization Agreement (STANAG) 4370: Environmental Testing. Edition 6 vom 08. Dezember 2016.
  4. Stemmer KL: Pharmacology and toxicology of heavy metals: antimony. Pharmacology and Therapeutics Part A 1976; 1: 157-160.
  5. Verordnung (EU) Nr. 10/2011 der Kommission vom 14. Januar 2011 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (ABl. L 12 S. 1), zuletzt geändert durch VO (EU) 2020/1245 vom 02.September 2020 (ABl. L 288 S. 1) mehr lesen
  6. World Health Organization: Antimony in Drinking-water. Background document for development of WHO Guidelines for Drinking-water Quality. Genf: WHO 2003. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

von Einsiedel J, Schröder B, Timm T: Simulation von Alterungsprozessen in Bottled Water der Bundeswehr (Vortrags-Abstract). WMM 2021; 65(11): S22-S24.

Für die Verfasser

Oberstabsapotheker Dr. Johannes von Einsiedel

Überwachungsstelle für öffentlich-rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr West

Andernacher Str. 100, 56070 Koblenz

E-Mail: johannesvoneinsiedel@bundeswehr.org

Vortrag beim Wettbewerb um den Heinz-Gerngroß-Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. am 15. Oktober 2021 in Koblenz