Wehrmedizinische Monatsschrift

Zur Wirksamkeit von adjuvanten pferdeunterstützten Interventionen und Therapien bei Einsatzfolgestörungen (Vortrags-Abstract)

Tendenzen der ersten Zwischenauswertung zur randomisiert kontrollierten Studie von aktiven und ­ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr

Kai Köhlera, Sonja Heinricha, Christian Helmsa, Gerd Willmunda

a Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Psychotraumazentrum der Bundeswehr

 

Hintergrund

Die Inzidenz und Betroffenenzahlen bei traumabedingten Einsatzfolgestörungen wie Anpassungs-, Angst- und somatoformen Störungen sowie von Depressionen und Posttraumatischer Belastungsstörung sind nicht zuletzt aufgrund der Zeit zwischen auslösendem Ereignis und der Inanspruchnahme einer Therapie noch immer auf einem hohen Niveau. Im Mittel liegt diese Zeit bei 5,2 Jahren [7], was zu Chronifizierungen, komorbiden Erkrankungen wie Alkoholsucht und erhöhten Therapieabbruchraten führen kann. Daraus resultierend zeigt sich über mehrere Studien und Länder hinweg eine niedrigere Wirksamkeit der in Standardleitlinien empfohlenen Therapiemethoden im Vergleich zu zivilen Patienten [11].

Option: Tiergestützte Therapie

Eine Möglichkeit dies auszugleichen könnte im therapeutischen Einsatz von Tieren liegen. Im Speziellen Hunde und Pferde werden zunehmend in Interventionen bei der Sozialarbeit, in der Familienberatung und als Ergänzung in die Therapie eingebunden. Studienergebnisse anderer Nationen zeigen, dass tiergestützte Interventionen bei Verhaltensstörungen, Problemen mit Emotionen und in der Sozialisation [1][12][14] helfen können und die Reduzierung von Angst-, Trauma- und Depressionssymptomen [2] erreicht werden kann. Des Weiteren kann es zu verbessertem Selbstbefinden [8], vermehrter sozialer Unterstützung und weniger Therapieabbrüchen [6] kommen. Bei US-Veteranen [5] zeigte eine kleinere Studie zur Hippotherapie Verbesserungen bei der Selbstwirksamkeit, der Emotionsregulation, der täglichen Aufgabenerledigung und bei sozialer sowie emotionaler Einsamkeit.

Abb. 1: Freiberger Pferdeherde mit Studienteilnehmern

Bei einer ersten Pilotstudie der Bundeswehr konnte eine pferdegestützte Intervention an einem Wochenende für Paare im Prä-Post Vergleich eine Reduzierung von PTBS- und depressiven Symptomen zeigen [13]. Allerdings steht der letztendliche evidenzbasierte Nachweis der Wirksamkeit aufgrund der zu geringen Studiendichte und -qualität [10] sowie aufgrund von ebenfalls vorhandenen Studien, die keine Effekte [1][3] oder eine Überlegenheit dieser Therapieform [9] gefunden haben, bislang auch international noch aus.

Daher wurde das Psychotraumazentrum beauftragt, die therapeutische Wirksamkeit der Pferdeintervention bei Einsatzfolgestörungen zu evaluieren

Material und Methoden

In einem ersten Schritt soll mittels randomisiert kontrollierter Studie in einem Umfang von 200 Teilnehmenden die Wirksamkeit der Intervention zusätzlich zur Standardtherapie im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Intervention durchgeführt werden. Anschließend könnte in Schritt 2 ein Vergleich zwischen alleiniger Pferdetherapie/Pferdetherapie während Psychotherapie vs. Standardpsychotherapieverfahren zu einer aktiven Kontrollbedingung (z. B. Muli-/ Pferdewanderung) zur weiteren Evaluierung der spezifischen Wirksamkeitsanteile erfolgen.

Die Intervention in Schritt 1 umfasst 6 Wochen (16 h pferdegestützte Therapie) am inklusiven Pferdesport- und Reittherapiezentrum Berlin-Karlshorst nach den Vorgaben des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten e. V. (DKThR) sowie auf dem Alten Elbehof in Torgau in Anlehnung an die Vorgaben der equine assisted growth and learning association (EAGALA).

Vor Start der Studie wurde ab dem 21.Oktober 2020 ein Pilotdurchgang durchgeführt und seit dem 27. Januar 2021 läuft in jedem Quartal beginnend der Regelbetrieb der Interventionsgruppen mit je vier Teilnehmenden inklusive der Kontrollgruppe mit ebenfalls vier Probanden an je zwei wöchentlichen Terminen, jeweils an zwei aufeinanderfolgenden Tagen.

Interventionsformen

Die Intervention nach dem EAGALA-Modell beginnt mit einer Gruppenintervention, gefolgt von einer paarweisen Intervention und geht dann in ein Einzelsetting über. Die Interventionen nach DKThR hingegen werden im Einzelsetting durchgeführt mit einer optionalen Möglichkeit von Gruppensettings gegen Ende der Intervention. Der Ablaufplan, die Ziele und Methoden wurden jeweils vorab durch Vertreter der Organisationen erstellt und werden zur späteren Nachvollziehbarkeit und Reproduktion der Ergebnisse streng manualisiert durchgeführt. Die Veröffentlichung der detaillierten Ablaufpläne der Interventionen wird erst nach Abschluss der Studie gemeinsam mit den Ergebnissen erfolgen.

Abb. 2: Übersicht der drei Studiengruppen

Quantifizierung der Wirksamkeit

Zur Quantifizierung der Wirksamkeit werden neben psychometrischen Testungen (standardisierte Fragebögen) auch physiologische Messungen (Herzratenvariabilität und Hautleitwert) sowie eine Cortisolbestimmung im Speichel zur Stressmessung jeweils vor, zweimal während sowie 2x nach Interventionsende durchgeführt.

Konkret untersucht werden die folgenden Fragen:

  1. Kann eine pferdegestützte Intervention negative störungsspezifische und störungsunspezifische Symptome einer Einsatzfolgestörung nachhaltig reduzieren und die subjektive Lebensqualität verbessern?
  2. Sind Veränderungen durch die Therapie auch auf physiologischer Ebene im Bereich Stress nachweisbar?
  3. Wirken sich pferdegestützte Interventionen auf die physiologischen Stress-Parameter bei den eingesetzten Pferden aus?

    Eine große Besonderheit der Studie liegt in der dritten Frage, da auch die Auswirkungen auf die eingesetzten Pferde in Zusammenarbeit mit den Veterinären der Bundeswehr hinsichtlich der Stressbelastung (Messung von Speichelcortisol und Herzratenvariabilität sowie videobasierte Verhaltensbeobachtung) über die Gesamtlaufzeit der Stude getestet werden und spannende Erkenntnisse zu deren Einsatz erwartet werden.

    Abb. 3: Cortisol im Speichel und Herzratenvariabilität werden auch bei den Tieren bestimmt, um auf beiden Seiten den Einfluss der Therapie auf physiologische Stressparameter zu bestimmen.

    Zwischenergebnisse

    Um einen frühen Eindruck über die Wirksamkeit der Intervention zu bekommen und mögliche Verschlechterungen für die Patienten auszuschließen, wurde eine Zwischenauswertung der Prä-Post-Messungen der ersten 19 Teilnehmenden der Interventionsgruppe durchgeführt. Dazu wurden von der gesamten Testbatterie die PTBS Symptomatik anhand der PTSD Checklist for DSM-5 (PCL-5), dem Screening zur komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (SkPTBS) sowie die Fragebögen zur Verbitterungsstörung, Stress, depressiven Symptomen, Lebenszufriedenheit, sozialer Unterstützung und Selbstwirksamkeit ausgewählt. Die Ergebnisse zeigen, dass ausnahmslos in allen Bereichen und Subskalen deskriptive Verbesserungen vorhanden sind. Diese Verbesserungen waren vorerst nur bei der Subskala Lebenszufriedenheit körperlich beim WHO Quality of Life Questionnaire (WHOQOL) signifikant, was aufgrund der noch viel zu niedrigen Stichprobengröße noch nicht belastbar ist.

    Auch bei den angewendeten Methoden EAGALA vs. DKThR zeigen sich bisher keine Unterschiede. Streng der Maßgabe folgend, dass aus nicht signifikanten Testresultaten bei noch geringem Stichprobenumfang nicht gefolgert werden darf, dass kein Effekt (Unterschied) vorhanden ist, bleibt abzuwarten, bis die Stichprobe deutlich höher ausfällt. Die deskriptiven Verbesserungen lassen allerdings vermuten, dass der Trend zumindest für den Zeitraum kurz nach Therapieende zukünftig in eine positive Richtung zeigt. Für 2022 ist eine weitere Zwischenauswertung geplant.

    Literatur

    1. Anestis MD, Anestis JC, Zawilinski LL, Hopkins TA, Lilienfeld SO: Equine-Related Treatments For Mental Disorders Lack Empirical Support: A Systematic Review of Empirical Investigations: Equine Assisted Psychotherapy. J Clin Psychol 2014; 70(12): 1115–1132. mehr lesen
    2. Earles JL, Vernon LL, Yetz JP: Equine-Assisted Therapy for Anxiety and Posttraumatic Stress Symptoms: Equine-Assisted Therapy. J Trauma Stress 2015; 28(2): 149–152. mehr lesen
    3. Ewing CA, MacDonald PM, Taylor M, Bowers MJ: Equine-Facilitated Learning for Youths with Severe Emotional Disorders: A Quantitative and Qualitative Study. Child Youth Care Forum 2007; 36: 59–72. mehr lesen
    4. Hoagwood K E, Acri M, Morrissey M, Peth-Pierce R: Animal-assisted therapies for youth with or at risk for mental health problems: A systematic review. Appl Dev Sci 2017; 21(1): 1–13. mehr lesen
    5. Johnson R, Albright DL, Marzolf JR et al.: EFfects of therapeutic horseback riding on post-traumatic stress disorder in military veterans. Mil Med Res 2018; 5(1): 3. mehr lesen
    6. Kern-Godal A, Arnevik EA, Walderhaug E, Ravndal E: Substance use disorder treatment retention and completion: a prospective study of horse-assisted therapy (HAT) for young adults. Addict Sci Clin Pract 2015; 10: 21. mehr lesen
    7. Kuester A, Köhler K, Ehring T et al.: Comparison of DSM-5 and proposed ICD-11 criteria for PTSD with DSM-IV and ICD-10: changes in PTSD prevalence in military personnel. Eur. J. Psychotraumatol 2017; 8(1): 1386988 (2017). mehr lesen
    8. Machová K, Procházková R, Eretová P, Svobodová I, Kotík I: Effect of Animal-Assisted Therapy on Patients in the Department of Long-Term Care: A Pilot Study. Int J Environ Res Public Health 2019; 16(8): 1362. mehr lesen
    9. Mueller MK, McCullough L: Effects of Equine-Facilitated Psychotherapy on Post-Traumatic Stress Symptoms in Youth. J Child Fam Stud 2017; 26(4): 1164–1172. mehr lesen
    10. Selby A, Smith-Osborne AA: A systematic review of effectiveness of complementary and adjunct therapies and interventions involving equines. Health Psychol 2013; 32(4): 418–432. mehr lesen
    11. Steenkamp MM, Litz BT, Hoge CW, Marmar CR: Psychotherapy for Military-Related PTSD: A Review of Randomized Clinical Trials. JAMA 2015; 314(5): 489-500. mehr lesen
    12. Trotter, K. S., Chandler, C. K., Goodwin-Bond, D. & Casey, J. A Comparative Study of the Efficacy of Group Equine Assisted Counseling With At-Risk Children and Adolescents. J. Creat. Ment. Health 3, 254–284 (2008). mehr lesen
    13. Willmund GD, Zimmemann P, Alliger-Horn C et al.: Equine‐assisted psychotherapy with traumatized ouples—improvement of relationship quality and psychological symptoms. J Marital Fam Ther 2021; 47(4): 925-944. mehr lesen
    14. Winkler N, Beelmann A: Der Einfluss pferdgestützter Therapie auf psychische Parameter: Eine quantitative Zusammenfassung des Forschungsstands. Mensch Pferd Int 2013; 5: 4–16. mehr lesen

Verfasser

Oberregierungsrat Dr. Kai Köhler, Dipl. Päd., M.Sc.Psych
Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Zentrum für Psychiatrie und Psychotraumatologie
E-Mail: kk@ptzbw.org

 

Vortrag beim 52. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie am 15. Oktober 2021 in Koblenz