Wehrmedizinische Monatsschrift

INNOVATION IN DER KRISE

Ausbruchsaufklärung von SARS-CoV-2 – Molekulare Diagnostik und Epidemiologie im Team (Poster-Abstract)

Markus H. Antwerpena, Dimitrios Frangoulidisb, Roman Wölfela, Katalyn Roßmannb

a Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München

b Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr VI-2 – Medical Intelligence und Information, München

 

Hintergrund

Seit Anfang 2020 ergeben sich ständig neue Herausforderungen für den Sanitätsdienst im Hinblick auf die Bekämpfung der Ausbreitung von SARS-CoV-2. Bei den derzeitigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr gilt es, einen besonderen Blick auch auf die Situation jenseits des deutschen Infektionsgeschehens zu werfen. Neuartige Virusvarianten können sich aufgrund der dort begrenzt verfügbaren Public Health-Strukturen unauffälliger ausbreiten. Diese Virus-Varianten sollen möglichst frühzeitig erkannt, bewertet und Ansteckungen mit diesen sowie Einschleppungen bei der Repatriierung nach Deutschland vermieden werden.

Seit Beginn der Pandemie versuchen daher das Referat VI 2 des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr (Kdo SanDstBw VI-2), Medical Intelligence und Information, und das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (InstMikroBioBw) gemeinsam, nicht nur ein epidemiologisches, sondern auch ein molekularbiologisches Bild der Lage zu erarbeiten und der Führung zur Verfügung zu stellen. Dabei ist es das Ziel, durch engen Informa­tionsaustausch beide Disziplinen zu kombinieren, um mögliche Infektionsketten und deren Ursachen zu identifizieren. Da insbesondere für die Einsatzgebiete die Datendichte, v. a. aber deren Standardisierung und Kategorisierung, anfangs nur gering war, gestaltete sich dies zum Teil sehr herausfordernd.

SARS-CoV-2 in Mali

Mitte Januar 2021 kam es zu einem Ausbruch unter deutschen Soldaten in Mali. Die inzwischen routinemäßig aufgebaute Sequenzierfähigkeiten des InstMikroBioBw leisteten dabei einen wertvollen Beitrag, wobei die institutseigenen bioinformatischen Analysen Hinweise im Rahmen der Infektkettenaufklärung gaben.

Umfassendes Lagebild

Schnell zeigten sich einzelne Infektionscluster, die ausschließlich Bundeswehrangehörigen zugeordnet werden konnten. Weiterführende Recherchen zeigten, dass die auf genetischen Daten basierten Hypothesen durch epidemiologische Nachforschungen kausal bestätigt werden konnten. Schwieriger gestaltete sich dies für die Einordnung in einen internationalen phylogeographischen Kontext. Zwar konnte eine originär in Deutschland erworbene Infektion faktisch ausgeschlossen werden, jedoch zeigten einige der Proben genetische Ähnlichkeiten nicht nur mit Sequenzen aus Westafrika, sondern auch mit einzelnen aus Frankreich, Belgien oder Dänemark. Weitere Rückschlüsse konnten hier jedoch nicht gezogen werden, da die hierfür erforderlichen Metadaten zu den entsprechenden Proben fehlten.

Abb. 1: Virussequenzen Bw-Angehöriger (blau) sind nur teilweise abgegrenzt von anderen international öffentlich bekannten Sequenzen (n= 202, Mrz 2021, GISAID) der gleichen phylogenetischen Viruslinie (A.27). Zusammenhänge der Infektketten sind bei Bw-Angehörigen jedoch größtenteils epidemiologisch korrelierbar.

In einem weiteren Schritt wurde die gefundene Variante, die der Lineage A.27 zuzuordnen war, tiefergehend analysiert. Dabei zeigten sich Mutationen insbesondere im Spike-Protein von SARS-CoV-2, die bereits bei kursierenden Variants-of-Concern („VOCs“) bekannt waren und denen ein Effekt bei einer Verminderung der Immunantwort ebenso wie eine erhöhte Bindungsaffinität zwischen Virus und Wirtszelle und somit eine erhöhte Infektiosität zugesprochen wurden. Dies führte zu der Bewertung, die dort auftretende Variante als „Variant-of-Operating-­RElevance (VORE)“ zu kategorisieren. Mittels einer 3D Modellierung konnte dies zudem visualisiert werden. So war es Kdo SanDstBw VI-2 möglich, für das eigene Einsatzführungszentrum San im Rahmen epidemiologischer Hintergrundanalysen ein konkreteres Lagebild zu skizzieren, dieses zu bewerten und weiterführende Analysen zu initiieren.

Sicheres Repatriierungskonzept

Einen weiteren Baustein bildete das durch den Sanitätsdienst verfolgte Repatriierungskonzept mit angeschlossener Isolation der Infizierten. Dadurch konnten die Soldaten optimal medizinisch beobachtet und betreut werden bei gleichzeitiger Verhinderung einer Ein­schleppung neuartiger Virusvarianten in die deutsche ­Bevölkerung. Anfang April ernannte das hiesige Robert Koch-Institut (RKI) die Lineage A.27 als „Variant-Under-Investigation „VUI“), da inzwischen auch in Deutschland weitere Fälle dieser Variante auftraten und dies zu stärkerer Beobachtung führte. Eine Datensatzanalyse mit den in Deutschland über das DESH-System des RKIs eingegangenen Sequenzen konnte stichprobenhaft zeigen, dass diese Infektionen nicht mit repatriierten Angehörigen der Bundeswehr in Verbindung gebracht werden können und das Isolationskonzept sich letztendlich nachweislich als erfolgreich zeigte.

Abb. 2: Virussequenzen Bw-Angehöriger (n = 30, rot) sind abgegrenzt von anderen deutschen Sequenzen (n = 776, Jan – Apr 2021, clade A.27); damit besteht kein Hinweis auf eine Einschleppung nach Deutschland über infizierte Soldaten

Fazit

Dieses Beispiel zeigt einmal mehr die Notwendigkeit einer guten interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Public Health mit klassischer Epidemiologie und modernster Molekularbiologie zum nachhaltigen Wohl und zur Sicherheit unserer Soldaten im Einsatz. Dabei spielen Pragmatismus für einen schnellen und gesicherten Probenversand im konkreten Fall eine ebenso große Rolle, wie auch eine zu verbessernde Datenaustauschfähigkeit, um auch mit Bündnispartnern Daten auf Arbeitsebene auszutauschen. Dies würde ein noch detailreicheres Bild in Ausbruchsgeschehen skizzieren und die Lagebewertung vereinfachen.

Für die Verfasser

Regierungsdirektor Priv.-Doz. Dr. Markus H. Antwerpen
Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr
E-Mail: markusantwerpen@bundeswehr.org

 

Das Poster wurde beim 52. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. am 16. Oktober 2021 mit dem 1. Preis im Posterwettbewerb der forschenden Institute ausgezeichnet.