Wehrmedizinische Monatsschrift

Risiko-Faktoren der posttraumatischen Syringomyelie ­(Poster-Abstract)

Chris Schulza, Luca Röha, Uwe Max Mauera

a Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinik XII – Neurochirurgie

 

Hintergrund

Bei einer Syringomyelie besteht ein flüssigkeitsgefüllter Hohlraum im Rückenmark. Dieser kann im Laufe der Zeit an Länge und Breite zunehmen und das Rückenmark irreversibel schädigen. Ursache sind nach moderner Hypothese Pulsationsstörungen von Liquor und Rückenmark, ausgelöst z. B. durch Vernarbungen der Meningen oder Engstellen des Spinalkanals. Häufige Ursachen für eine erworbene Syringomyelie sind Traumen, Entzündungen oder Tumore.

Die posttraumatische Syringomyelie (PTS) mit verzögert auftretenden aufsteigenden neurologischen Defiziten ist eine seltene Langzeitkomplikation von Rückenmarksverletzungen, die Monate bis Jahre nach einem Trauma auftreten kann. Die Identifikation prädisponierender Faktoren für deren Entwicklung könnte eine frühere Diagnose und Prophylaxe ermöglichen.

Abb.1: CT eines 24-jährigen Mannes mit vollständiger thorakaler Querschnittslähmung nach Verkehrsunfall; (A) zeigt den Befund zum Unfallzeitpunkt. Initial erfolgte eine Stabilisierung ohne Korrektur der Frakturkyphose und ohne Erweiterung des verengten Spinalkanals. Im Verlauf kam es zur Ausbildung progredienter neurologischer Störungen an den Händen. In (B) findet sich eine von der Frakturhöhe ausgehende nach cranial reichende Syringomyelie als Ursache.

Methodik

Im Rahmen einer retrospektiven Analyse von 51 Fällen mit und 28 Fällen ohne PTS nach Wirbelsäulentrauma erfolgte eine ungematchte Kohorten-Studie beider Gruppen sowie eine Fall-Kontroll-Studie mit Matching von je 22 Fällen aus beiden Gruppen.

Spezielle Untersuchungsparameter waren:

Es erfolgte eine deskriptive Auswertung und Gegenüberstellung der Gruppen mit nicht-parametrischen Testverfahren. Zur Risikofaktor-Ermittlung wurde eine binäre logistische Regressions-Analyse vorgenommen.

Ergebnisse

Bei ungematchter Kohorten-Analyse (Tabelle1) finden sich signifikante Unterschiede iatrogen beeinflussbarer Parameter bei der posttraumatischen Kyphosierung und der Spinalkanalweite auf Höhe der Fraktur sowie dem Anteil initial operativ behandelter Fälle. Beide Parameter sind auch signifikante Einflussfaktoren zur Ausbildung einer PTS (jeweils p < .05; logReg).

Tab. 1: Ergebnisse der ungematchten Kohortenanalyse

MW=Mittelwert; SKW=Spinalkanalweite; KW=Kruskal-Wallis-Test; FE=Fisher‘s Exact-Test; logReg=logistische Regression

Bei Fall-Kontroll-Analyse (Tabelle2) sind die Parameter Kyphose und Rate der operativen Initialtherapie ebenfalls signifikant unterschiedlich und zudem auch signifikante Faktoren zur Ausbildung einer PTS (jeweils p <0.05; logReg). Es fanden sich knapp nicht signifikante Unterschiede bei der SKW und ein deutlicher Trend zur PTS-Bildung bei niedrigerer SKW (p = .08; logReg).

Tab. 2: Ergebnisse der Fall-Kontroll-Analyse

MW=Mittelwert; SKW=Spinalkanalweite; KW=Kruskal-Wallis-Test; ; FE=Fisher‘s Exact-Test; logReg=logistische Regression;
grau hinterlegt: nicht signifikant

Schlussfolgerung

In der Langzeit-Rehabilitation von Rückenmarkverletzten muss bei sekundären Verschlechterungen des neurologischen Status an das Vorliegen einer posttraumatischen Syringomyelie gedacht werden.

Ein höheres Risiko zur Bildung einer PTS scheint am ehesten vorzuliegen

Für die Versorgung von Wirbelsäulenfrakturen gilt deshalb:

Es reicht nicht, Frakturen nur zu stabilisieren. Zur Prophylaxe einer PTS sollten auch spinale Deformitäten und Stenosen beseitigt werden – selbst bei Fällen mit kompletter Querschnittslähmung!

 

Für die Verfasser
Flottillenarzt Priv. -Doz. Dr. Chris Schulz
Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Klinik XII – Neurochirurgie
E-Mail: chrisschulz@bundeswehr.org

Posterpräsentation bim 52. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. am 15. Oktober 2021 in Koblenz.


1 Die von der American Spinal Cord Injury Association (ASIA) herausgegebene Klassifikation wird bei Rückenmarksverletzten angewendet. Mit Hilfe des ASIA-Scores kann mit einer strukturierten körperlichen Untersuchung die Querschnittslähmung eines Patienten objektiv beurteilt werden.

Die Schweregradeinteilung einer traumatischen Querschnittslähmung erfolgt in einer Spannweite von A (= komplett: keine sensiblen oder motorischen Funktionen in den sakralen Elementen) bis E (= normal: sensible und motorische Funktionen sind normal nach vorherigen neurologischen Defiziten).