Wehrmedizinische Monatsschrift

MEHR ALS AUGENHEILKUNDE

94. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte am 30. Oktober 2021 in Koblenz

Patrick Peschkea, Frank Weinanda

a Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klinik IV – Augenheilkunde

 

Am 30. Oktober 2021 fand in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz die 94. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte statt. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Oberstarzt Dr. Frank Weinand, Direktor der Klinik für Augenheilkunde am Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZKrhs) Koblenz, wurde ein breites Spektrum an Themen vorgetragen und diskutiert. Das Team der Augenklinik des BwZKrhs Koblenz war mit einer Reihe von Vorträgen vertreten und stellte dabei auch Themen aus der militärischen Augenheilkunde und der Notfall-/Katastrophenmedizin vor.

Verein Rhein-Mainischer Augenärzte e. V.

Der Verein Rhein-Mainischer Augenärzte e. V. veranstaltet mit seinen Tagungen regelmäßige wissenschaftliche Vortragsreihen zu aktuellen Studien, neusten Leitlinien und Erkenntnissen. Der Verein fördert die fachliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit im ophthalmologischen Kollegium, u. a. durch Prämierung von herausragenden Tagungsvorträgen. Ganz wesentlich ist aber der Ausbau eines regionalen Netzwerks der Ophthalmologie.

Dem Verein gehören niedergelassene sowie in Kliniken tätige Augenärzte aus dem Rhein-Main-Gebiet (vorwiegend aus Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland) an, welche sich im Rahmen der regelmäßigen fachlich-wissenschaftlichen Symposien austauschen. Namhafte internationale Größen der konservativen wie operativen Augenheilkunde gehören dem Verein an, u. a. Prof. Dr. Claus Eckhardt (Bad Homburg), Prof. Dr. Fuchsluger (Universitätsklinikum Rostock), Prof. Dr. Heinrich Gerding (Olten/Schweiz), Prof. Dr. Lars-Olof Hattenbach (Klinikum Ludwigshafen), Prof. Dr. Thomas Kohnen (Universitätsklinikum Frankfurt), Prof. Dr. Bertold Seitz (Universitätsklinikum des Saarlandes), Prof. Dr. Peter Szurmann (Knappschaftsklinikum Sulzbach/Saar), Prof. Dr. Voßmerbäumer (Frankfurt/Höchst) und Prof. Dr. Wenzel (Trier).

Die Angehörigen der Klinik für Augenheilkunde des BwZKrhs Koblenz sind zum großen Teil Mitglieder dieser regionalen Fachgesellschaft und so fester Bestandteil des Netzwerks. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Oberstarzt Dr. Weinand fand am 30. Oktober 2021 in der Rhein-Mosel-Halle Koblenz ein wissenschaftliches Symposium des Vereins statt, welches den Teilnehmenden die Gelegenheit bot, neben einem Einblick in militärische Aspekte der Augenheilkunde auch einen Eindruck von den Leistungen des Sanitätsdienstes der Bundewehr auf dem Gebiet der Notfall- und Katastrophenmedizin zu gewinnen.

Auch diese Veranstaltung stand unter dem Einfluss der Corona-Pandemie und wurde deshalb in einem hybriden Format durchgeführt. Die Anzahl der Teilnehmenden war für einen eher regional ausgerichteten Verein mit rund 150 Anwesenden und 250 Online-Teilnehmenden aus ganz Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland sehr groß, was sicher dem ambitionierten Programm zu verdanken war.

Abb. 1: Prof. Dr. Thomas Kohnen mit dem „A-Team“ des BwZKrhs Koblenz (von links):Oberstarzt Dr. Weinand, Oberfeldarzt Dr. ­Gagalick, Stabsarzt Flügel, Stabsarzt Westerfeld, Stabsarzt Ruchser, Oberstabsarzt Leutheußer, Oberstabsarzt Linßen, Oberstabsarzt Dr. Birzer (BwKrhs Ulm), Stabsarzt Hoffmann, Stabsarzt Kummer, Stabsarzt Junglas, Oberstabsarzt Dr. Peschke, Oberstabsarzt Dr. Nußbaum

Wissenschaftliches Programm

Nach Begrüßung durch den Tagungspräsidenten, Oberstarzt Dr. Weinand, fanden vier wissenschaftliche Sitzungen mit verschiedenen Themenschwerpunkten (Hornhaut, Netzhaut, Einsatzmedizin, Glaukom, Katarakt, Telemedizin, Consilium diagnosticum) statt. Im Folgenden werden diese Themenschwerpunkte kurz vorgestellt und dabei auf Vorträge aus dem Bereich der Bundeswehr detaillierter eingegangen.

Sitzung 1: Rund um die Hornhaut

Die erste wissenschaftliche Sitzung befasste sich mit Themen rund um die Hornhaut. Vorsitz hatten Prof. Dr. ­Thomas Fuchsluger (Rostock)und Oberfeldarzt Dr. ­Sebastian Kupferschmid (Direktor der Klinik für Augenheilkunde am BwKrhs Ulm) als eingeladene Referenten. Oberfeldarzt Dr. Kupferschmid stellte in seinem Vortrag das Management kornealer Einschmelzungsprozesse vor.

Keratolysen

Korneale Einschmelzungsprozesse (Keratolysen) können auch unter schlechten hygienischen Bedingungen in Folge von Bagatellverletzungen (z. B. Astschlag) in Einsatzszenarien oder bei einsatzassoziierten Augenverletzungen (z. B. im Rahmen eines penetrierenden Bulbustraumas mit Hornhautperforation) auftreten. Die Keratolyse ist ein immunologischer Prozess, welcher neben konservativen Therapieansätzen häufig eine vollumfänglich operative Versorgung notwendig macht, um die Funktion oder gar die Existenz eines Auges zu erhalten. Im Vortrag wurden nebst medikamentösen Therapien auch Beispiele chirurgischer Verfahren vorgestellt, welche bei fortgeschrittenen Befunden eine temporäre und dauerhafte Stabilisierung von betroffenen Augen ermöglichen.

Die zur Anwendung kommenden Verfahren setzen eine umfängliche chirurgische Expertise im Bereich der Hornhaut, des vorderen sowie des hinteren Augenabschnittes voraus. Der Vortrag unterstrich die Notwendigkeit zur Fähigkeit einer allumfassenden „pole to pole“-Chirurgie in operativ tätigen Augenkliniken.

Sitzung 2: Netzhaut, Einsatzmedizin

Die zweite wissenschaftliche Sitzung stand unter dem Thema „Netzhaut und Einsatzmedizin“. Unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Lars-Olaf Hattenbach (Klinikum Ludwigshafen) und Oberstarzt Dr. Weinand wurden sowohl retinologische wie auch einsatzmedizinisch relevante Erkenntnisse vorgestellt.

Prolonged Field Care of Military Eye Injuries

Der umfänglichen Beleuchtung neuer operativer Methoden im Bereich der Netzhautchirurgie folgte ein Vortrag von Oberstarzt Dr. Weinand zum Thema „Prolonged Field Care of Military Eye Injuries“. Nach einem kurzen historischen Rückblick zum Anteil von Augenverletzungen in weltweiten bewaffneten Konflikten und Kriegen wurde zunächst die Platzierung der Augenheilkunde in der heutigen sanitätsdienstlichen Einsatzversorgung der Bundeswehr (Einsatzmaxime, Rettungskette, Role 1 bis 4) beleuchtet. Im Kontrast zur sanitätsdienstlichen Einsatzmaxime kommt Prolonged Field Care dann zur Anwendung, wenn der evidenzbasierte Goldstandard „shield and ship“ – d. h. Schutz des Auges und schnellstmöglicher Transport zur fachärztlichen Versorgung – einsatzbedingt nicht verfolgt werden kann. In Zusammenschau der aktuell gültigen Leitlinie und ausgewählter Studien zum Umgang mit Augenverletzungen im ­Rahmen von Militäreinsätzen (siehe Literaturauswahl) konnte die Komplexität des Szenarios sowie die Notwendigkeit zur weiteren Fortentwicklung der Behandlungsstrategien aufgezeigt werden.

Abb. 2: Versorgung von ­Augenverletzungen entlang der Rettungskette

Präklinische Versorgung von Augenverletzungen

Oberfeldarzt Dr. Andreas Gagalick (BwZKrhs Koblenz) stellte den rettungsmedizinischen Lehrgang „Präklinische Versorgung von Augenverletzungen“(„RettMed Augen-Kurs“) vor, der neben Vorträgen auch in praktischen Übungen notfallmedizinische Grundkenntnisse zur Erstversorgung von Augenverletzungen vermittelt. Die Evaluation dieses Kurses durch annähernd 250 Teilnehmende wurde ausgewertet, wobei die Frage, welche Zielgruppen (Notärzte, Notfallsanitäter, Einsatzsanitäter, Einsatzersthelfer) besonders von der Ausbildung profitieren, beantwortet werden sollte.

Es stellte sich heraus, dass die Fortbildung umso relevanter eingestuft wurde, je höher der Qualifikations- und damit Verantwortungsgrad der Teilnehmenden war. Deshalb wurden für diese Ausbildung als Zielgruppe die Notfallmediziner in den Fokus genommen. Inzwischen ist der „RettMed Augen-Kurs“ fester Bestandteil des Notfallmediziner-Lehrgangs an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München, den jeder Sanitätsstabsoffizier Arzt vor der Truppenarztzeit absolvieren muss.

Beyond Opthalmology: Hochwasserhilfe an der Ahr

Dem Sitzungsthema „Einsatzmedizin“ und auch der Tatsache geschuldet, dass das Ahrtal unweit des Tagungsortes liegt, trug Oberfeldarzt Dr. Dennis Ritter, Leiter Sektion Notfallmedizin der Klinik X – Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin – des BwZKrhs Koblenz, aus erster Hand zu den Ereignissen in der Flutnacht 2021 im Ahrtal vor. Der Vortrag erzeugte im Publikum besondere Betroffenheit, da es Oberfeldarzt Dr. Ritter gemeinsam mit den eingesetzten Kameradinnen und Kameraden gelang, bei ansteigender Flut eine große Zahl von Menschenleben zu retten. Dies war durch den Einsatz von tiefwattfähigen Krankenkraftwagen der Bundeswehr auf Chassis des Unimog U1300 L möglich. Nach dem Zusammenbruch des zivilen Kommunikationsnetzes bewährte sich außerdem die (noch) analoge Funktechnik der Bundeswehr, mit der diese neben dem THW autark agieren kann. Dr. Ritter beleuchtete in seinem Vortrag auch wichtige Aspekte der Einsatz- und Katastrophenmedizin.

Im direkten Anschluss sprach Prof. Dr. Thomas ­Kohnen, Vorsitzender des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte e. V. und Mitglied im Wehrmedizinischen Beirat, in einem Nachwort zu Dr. Ritters Vortrag seinen Respekt und persönlichen Dank für den Einsatz der Bundeswehr aus.

Sitzung 3: Glaukom, Katarakt und Varia

In der dritten wissenschaftlichen Sitzung zu „Glaukom, Katarakt und Varia“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. ­Thomas Kohnen (Frankfurt/Main) und Prof. Dr. Martin Wenzel (Trier) wurde neben den eigentlichen Sitzungsthemen auch das Umfeld der Anwendung von Telemedizin in der Augenheilkunde aufgegriffen. Durch die Vortragenden Lucas Bisorca-Gassendorf (Sulzbach/Saar) und ­Martin Wenzel (Trier) wurde ausgeführt, dass große Teile der Eifel und das Umland von Trier augenärztlich stark unterversorgt sind. Die Menschen können dort von einer telemedizinischen Betreuung profitieren. Von Anwesenden aus dem Sanitätsdienst der Bundeswehr wurde angemerkt, dass bei der Marine und i. R. der Einsatzversorgung bereits langjährige Erfahrungen mit telemedizinischer Betreuung (Stichwort: „Blaues Telefon“) gesammelt wurden und ein kollegialer Austausch dazu vielversprechend erscheint.

Sitzung 4: „Consilium diagnosticum“

Im Rahmen der vierten wissenschaftlichen Sitzung „Consilium diagnosticum“ unter der Leitung von Prof. Dr. Berthold Seitz (Homburg/Saar) und Prof. Dr. Urs Voßmerbäumer (Frankfurt/Höchst) wurde jungen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit zur Präsentation von Case Reports eröffnet. Hierbei waren die Kongressteilnehmenden aufgefordert, sich durch TED-Fragen an der Lösung der Fälle zu beteiligen. Aus allen Vorträgen wurden abschließend die besten drei Präsentationen prämiert.

Neben zahlreichen Beiträgen aus Augenkliniken und Praxen beteiligte sich auch das BwZKrhs Koblenz mit zwei Fallvorstellungen. Flottillenarzt Matthias Schulz hatte einen Vortrag zum Thema „Salzmann´sche Hornhautdystrophie“ erarbeitet. Über eine akute Abduzensparese im Rahmen einer Sinusvenenthrombose referierte Stabsarzt Nina Westerfeld. Ihr Vortrag wurde nach dem Votum des Vorstandes zum Ende der Tagung mit dem ersten Preis ausgezeichnet.

Fazit

Dem Verein Rhein-Mainischer Augenärzte war es – nicht zuletzt auf Grund des hybriden Formats – gelungen, in Koblenz eine überregionale wissenschaftliche Tagung zu aktuellen Themen der konservativen und operativen Ophthalmologie durchzuführen. Als Ausrichtende konnte die Klinik für Augenheilkunde des BwZKrhs Koblenz dabei nicht nur den hohen Standard der Augenheilkunde im Sanitätsdienst der Bundeswehr präsentieren, sondern mit den Beiträgen zu wehr- und katastrophenmedizinischen Themen dessen Sichtbarkeit innerhalb der Ärzteschaft und deren Fachgesellschaften erhöhen.

“Prolonged Field Care of Military Eye Injuries” – ausgewählte Literatur

  1. Axenfeld T: Kriegsophthalmologische und organisatorische Erfahrungen. Deutsche Medizinische Wochenschrift 1914; 39: 1779–1781.
  2. Boiko EV, Churashov SV, Haritonova NH, Budko AA: Vitreoretinal surgery in the management of war-related open-globe injuries. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol 2013; 251(3): 637–644.
  3. Breeze J, Blanch RJ, Mazzoli R et al.: Comparing the Management of Eye Injuries by Coalition Military Surgeons during the Iraq and Afghanistan Conflicts. Ophthalmology 2020; 127(4): 458–466.
  4. Hauser A, Fogarasi S: Periorbital and orbital cellulitis. Pediatr Rev 2010; 31(6): 242–249.
  5. Kupferschmid S: Ophthalmologische Notfälle. Der Notarzt 2021; 37(04): 237–242.
  6. Neitzel C, Ladehoff K (Hrsg.): Taktische Medizin. Berlin: Springer-Verlag 2021.
  7. Reynolds ME, Hoover C, Riesberg JC et al.: Evaluation and Treatment of Ocular Injuries and Vision-Threatening Conditions in Prolonged Field Care. J Spec Oper Med 2017; 17(4): 115–126.
  8. Weichel ED, Colyer MH, Ludlow SE, Bower KS, Eisemann AS: Combat ocular trauma visual outcomes during operations iraqi and enduring freedom. Ophthalmology 2008; 115(12): 2235–2245.

 

Für die Verfasser

Oberstabsarzt Dr. Patrick K. Peschke

Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

Klinik IV – Augenheilkunde

Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz

E-Mail: patrickpeschke@bundeswehr.org