Wehrmedizinische Monatsschrift

FACEBOOK, TWITTER, INSTAGRAM, TIK-TOK UND CO.

Social Media in der Bundeswehr – Chancen und Fallstricke (Vortrags-Abstract)

Claas Gärtnera

a Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr

 

Hintergrund

Ob Facebook, Twitter, Snapchat, Instagram oder TikTok – Social Media-Plattformen haben in nur wenigen Jahren die Medienwelt und auch das Nutzungsverhalten der Menschen verändert. Im Jahr 2021 nutzen 4,2 Milliarden Menschen weltweit [4] ein oder mehrere soziale Netzwerke. Diese sind damit zum wichtigsten „Ort“ geworden, um sich auszutauschen, zu informieren und zu präsentieren. Gleichzeitig wächst die Kritik an den Betreibern sozialer Netzwerke, sie würden mit ihren Produkten und Algorithmen die Demokratie und den demokratischen Diskurs sowie teilweise sogar die psychische Gesundheit junger Menschen, vor allem von Mädchen, schädigen [3]. Vor diesem Hintergrund sind soziale Netzwerke sowohl für Soldatinnen und Soldaten als auch die gesamte Organisation Bundeswehr hinsichtlich einer kompetenten Nutzung eine Herausforderung.

Spannungsfeld Social Media und Militär

Die sozialen Netzwerke leben davon, dass sich Menschen präsentieren und Informationen bereitstellen – ohne die entsprechenden Privatsphäre-Einstellungen aber nicht nur dem Freundeskreis, sondern einem weltweiten Publikum. Dem gegenüber stehen militärische Bedürfnisse nach Geheimhaltung und speziell in den Einsatzgebieten Operational Security, kurz OPSEC. Gleichzeitig stellt § 17 des Soldatengesetzes besondere Anforderungen an die Angehörigen der Streitkräfte. Deren Verhalten muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die der Dienst als Soldat erfordert [1]. Rasch kann so ein Beitrag, Post oder Tweet über die militärische Ausbildung oder ein unbedachter Kommentar zum Startpunkt für Ermittlungen werden, die im schlimmsten Fall zu einer Disziplinarmaßnahme oder sogar strafrechtlichen Ahndung führen können. Aber auch zivilrechtliche Probleme können schnell entstehen, wenn beispielsweise aus Unkenntnis Persönlichkeits- oder Urheberrechte verletzt werden.

Abb. 1: Soziale Medien sind ein fester Bestandteil der Lebensrealität junger Soldatinnen und Soldaten. Ein rasch aufgenommenes und gepostetes Selfie von einer Übung oder Ausbildung kann ein Dienstvergehen sein und disziplinare, u. U. strafrechtliche, Konsequenzen nach sich ziehen.

Social Media Guidelines

Um in erster Linie ihren Soldatinnen und Soldaten Handlungssicherheit im Umgang mit sozialen Medien zu bieten, hat die Bundeswehr Social Media Guidelines entwickelt [2]. Diese fassen auf wenigen Seiten zusammen, welche grundlegenden Regeln Soldatinnen und Soldaten auf sozialen Plattformen beachten sollten, um ihrer besonderen Rolle als uniformierte Vertreter der Bundesrepublik Deutschland gerecht zu werden.

Die Autorinnen und Autoren der Guidelines lassen den Soldatinnen und Soldaten mit den Richtlinien einen großen Gestaltungsspielraum bei ihren Auftritten in den sozialen Medien. Die Guidelines definieren dabei eine Art „Netiquette“, die für unterschiedliche Plattformen gültig sein soll und auf Verantwortung, Wertschätzung und Respekt basiert. Gleichzeitig setzen sie Grenzen, wenn es beispielsweise um militärische Sicherheit oder die Verletzung von Rechten Dritter geht. Vor diesem Hintergrund nimmt die bewusst offene Gestaltung der Social Media Guidelines Soldatinnen und Soldaten in die Pflicht für einen kompetenten Umgang mit den Sozialen Medien.

Die Erfahrungen seit Veröffentlichung der Social Media Guidelines zeigen, dass die große Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten dieser Verantwortung gerecht wird. Dies zeigt sich beispielsweise bei Instagram, wenn Soldatinnen und Soldaten auf Bildern in Uniform ihren Dienstgrad, Namensschild und Verbandsabzeichen unkenntlich machen und sich so einerseits als Angehörige der Streitkräfte präsentieren, gleichzeitig aber durchaus die eigene Privatsphäre und damit – intendiert oder nicht – die militärische Sicherheit schützen.

Abb. 2: Die Social Media Guidlines (hier als Download und über den QR-Code) geben wichtige Hinweise für den Umgang mit sozialen Medien

Neue Aufgaben der Vorgesetzten

Während sich Soldatinnen und Soldaten wie selbstverständlich in Sozialen Medien bewegen, bedeuten diese für viele Vorgesetzte ein neues und nicht immer einfaches Aufgabenfeld. Zum einen müssen Untergebene über die Fallstricke im Spannungsfeld Social Media, militärische Sicherheit und Rechte Dritter aufgeklärt werden. Mit einer Unterrichtseinheit während der Grundausbildung zu dem Thema ist es angesichts immer neuer und sich schnell wandelnder Plattformen nicht getan. Hier gilt es für die Vorgesetzten, am Ball zu bleiben und Social Media regelmäßig zu thematisieren. Besonders der besonnene Umgang mit Posts Dritter, die die Bundeswehr und ihre Angehörigen beleidigen oder diffamieren, muss immer wieder mit Untergebenen besprochen werden.

Abb. 3: Gerade bei diffamierenden Posts müssen Soldatinnen und Soldaten einen kühlen Kopf bewahren. Auch wenn es nicht der Logik Sozialer Medien entspricht, sollten sie wie bei einer Beschwerde erst nach Ablauf einer Nacht reagieren.

Fingerspitzengefühl und Graubereiche

Gleichzeitig müssen Vorgesetzte eine Haltung zu Fehlern entwickeln, die Untergebene auf Social Media Plattformen machen. Welche Maßnahmen sind angemessen und notwendig, wenn beispielsweise ein Soldat auf seinem Instagramprofil ein Bild aus der Kaserne postet, in der ein Film- und Fotografierverbot herrscht? Was tun bei einer Soldatin, die in einer WhatsApp-Gruppe gegen die Netiquette verstößt? Wie umgehen mit Soldaten, die interne dienstliche Diskussionen im Internet für jeden lesbar führen, Missstände in ihrem Arbeitsbereich öffentlich ansprechen oder hohe Vorgesetzte offen kritisieren?

Während straf- oder disziplinarrechtlich relevante Sachverhalte wie jedes Dienstvergehen zu behandeln sind, sind es gerade die Graubereiche, die die Vorgesetzten fordern. Jeden Einzelfall gilt es zu prüfen und dabei Maßstäbe anzulegen, die das besondere Kommunikationsverhalten auf sozialen Plattformen berücksichtigen. Der Versuch, Soldatinnen und Soldaten die Nutzung Sozialer Medien im Grundbetrieb zu untersagen, wird regelmäßig zum Scheitern verurteilt sein. Gleichzeitig reduziert ein derartiges Vorgehen die Attraktivität des Arbeitgebers Bundeswehr gerade im Vergleich mit der zivilen Wirtschaft, wo sich teilweise die Erlaubnis zur Nutzung Sozialer Medien während der Arbeitszeit in den Arbeitsverträgen wiederfindet.

Fazit

Vorgesetzte müssen akzeptieren, dass Soziale Medien eine hohe Medienkompetenz erfordern, die sich nach Möglichkeit auch in der Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten widerspiegeln sollte. Das Thema Fake News beispielsweise ist direkt an die politische Bildung anschlussfähig, von den Privatsphäreeinstellungen unterschiedlicher Plattformen ist es nur ein kleiner Schritt zu einem Unterricht zum Thema militärische Sicherheit. Um hier relevante Themen zu identifizieren und zu bearbeiten, sollten Vorgesetzten den offenen Austausch gerade mit jüngeren Untergebenen suchen. Soziale Medien erfordern ein ständiges und gemeinsames Lernen, von dem am Ende alle profitieren – die Bundeswehr und ihre Angehörigen.

Literatur

  1. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Soldatengesetz § 17 Verhalten in und außer Dienst., letzter Aufruf 21. November 2021
  2. Bundesministerium der Verteidigung: Social Media Guidelines. , letzter Aufruf 21. November 2021
  3. Gilbert B: Facebook’s own research showed Instagram to be toxic for teens, which it denies — then it pulled Instagram Kids anyway. Business Insider 2021; , letzter Aufruf 21. November 2021.
  4. Statista GmbH: Anzahl der aktiven Social-Media-Nutzer weltweit in den Jahren 2015 bis 2021. , letzter Aufruf 21. November 2021.

Verfasser

Oberstleutnant Claas Gärtner

Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr

Presse- und Informationszentrum

E-Mail: claasgaertner@bundeswehr.org

Vortrag im Arbeitskreis Offiziere im Truppendienst beim 52 Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. am 15. Oktober 2021 in Koblenz.