Wehrmedizinische Monatsschrift

Zersetzungsstadien bei Wildschweinkadavern – und wie die Liegezeit geschätzt werden kann (Vortrags-Abstract)

Carolina Probsta, Jörn Gethmanna, Carola Sauter-Louisa, Annett Rudovskyb, Ulf Hohmannc, Bent Knolld,
Jens Amendte, Jens Peter Teifkef, Franz J. Conrathsa

aFriedrich-Loeffler-Institut, Institut für Epidemiologie, Greifswald - Insel Riems

bLandesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit Brandenburg

cForschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft, Trippstadt

dStadtforst der Universitäts- und Hansestadt Greifswald

eGoethe-Universität, Institut für Rechtsmedizin, Frankfurt am Main

f Friedrich-Loeffler-Institut, Abteilung für experimentelle Tierhaltung und Biosicherheit, Greifswald - Insel Riems

 

Hintergrund

Bricht die Afrikanische Schweinepest (ASP) bei Wildschweinen in einer vormals ASP-freien Region aus, so ist eine epidemiologische Untersuchung durchzuführen und der Eintragszeitpunkt des Virus abzuschätzen. Einen wichtigen Hinweis auf den Eintragszeitpunkt liefert die Schätzung des Todeszeitpunkts der ersten tot aufgefundenen Tiere. Zum Zersetzungsablauf bei Wildschweinkadavern bzw. zur Abschätzung des Postmortem-­Inter­valls (PMI) gibt es bislang jedoch wenige wissenschaftliche Studien. Deshalb bleibt die PMI-Abschätzung stets eine Einzelfallentscheidung und oft ungenau. Ziel dieser Studie war, den Einfluss verschiedener Faktoren auf die Zersetzung abzuschätzen.

Material und Methoden

Mehrere Wildschweinkadaver wurden ausgelegt und unter verschiedenen Bedingungen deren Zersetzung über längere Zeiträume beobachtet.

Anhand von Beispielen wird die Hypothesengenerierung bezüglich des Todeszeitpunkts von Wildschweinkadavern in unterschiedlichen Zersetzungsstadien erörtert.

Ergebnisse

Multifaktorielle Einflüsse

Der Zersetzungsprozess von Wildschweinen in freier Wildbahn und die daraus resultierenden postmortalen Veränderungen hängen von einer Vielzahl verschiedener Faktoren ab, allen voran Körpergröße und -gewicht, sowie Temperatur, Sonneneinstrahlung, Luftzutritt, Feuchtigkeit und weiteren Eigenschaften des Mikrohabitats. Diese beeinflussen ihrerseits die Aktivität von Aasfressern und nekrophagen Insekten. So können Fliegenmaden während der warmen Jahreszeit selbst große Kadaver binnen weniger Tage skelettieren. Bei trockener Witterung kann die Körperdecke wochen- bis monatelang erhalten bleiben. Dann ist die Zersetzung im Inneren nur durch Manipulation des Kadavers, also durch Anheben der Körperdecke beurteilbar. Während der kalten Jahreszeit werden Kadaver vor allem durch vertebrate Aasfresser verwertet. Dabei können auch kleinere Tiere wie Mäuse zu erheblichem Substanzverlust führen.

Aasfresser

Liegen die einzelnen Skelettteile an der anatomisch korrekten Position, ist dies ein Hinweis darauf, dass keine größeren Aasfresser an der Zersetzung beteiligt waren. Bleiben große Aasfresser fern, können im Winter mehrere Monate vergehen, ohne dass sich das äußere Erscheinungsbild des Kadavers wesentlich ändert.

Haben Aasfresser am Kadaver gefressen, liegen die einzelnen Körperteile häufig nicht mehr anatomisch korrekt oder sind gänzlich auseinandergezogen; später findet man sie oft nur noch vereinzelt vor (z. B. lose Skapula). Sind größere Aasfresser beteiligt, läuft die Zersetzung deutlich schneller ab und eine Abschätzung des PMI ist oft nur sehr grob oder gar nicht mehr möglich.

UV-Einstrahlung

Die UV-Einstrahlung hat vermutlich eine eher indirekte Wirkung, da sich durch die lokale Temperaturerhöhung am Kadaver auch die Stoffwechselrate ggf. vorhandener nekrophager Insekten erhöht. Solange weder Insekten noch größere Aasfresser am Kadaver vorhanden sind, ist der Unterschied im Winter zwischen sonnigem und schattigem Standort kaum wahrnehmbar.

Fazit

Wie rasch ein Wildschweinkadaver zersetzt, hängt im Winter ganz entscheidend von den vertebraten Aasfressern und im Sommer von den nekrophagen Insekten ab. Gold-, Schmeiß- und Fleischfliegen, Raben, Marderhunde und Füchse, aber auch andere (potenzielle) Aasfresser können einen Kadaver schneller und effizienter orten als jede Menschenkette oder Wärmebildkamera von einem Hubschrauber oder einer Drohne aus. Bleibt ein Kadaver von Menschen unentdeckt, spielen Aasfresser und Insekten die entscheidende Rolle bei dessen unschädlicher Beseitigung aus der Natur. Im ASP-Ausbruchsfall können sie also zumindest in schwer zugänglichen Gebieten dazu beitragen, das Risiko der Etablierung und weiteren Ausbreitung des ASP-Virus zu verringern.

Unabhängig davon gilt aber in jedem Fall:

Bei der Dokumentation von Totfunden sind vor allem Fotos der Kadaver und ihrer Umgebung wichtig („Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“).

 

Für die Verfasser
Dr. Carolina Probst
Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, Berlin
E-Mail: carolina.probst@bmz.bund.de