Wehrmedizinische Monatsschrift

AUS DEN ARBEITSKREISEN DER DGWMP E.V.

Sitzung des Arbeitskreises „Geschichte und Ethik der Wehrmedizin“ am 15. Oktober 2021 in Koblenz

Einleitung

Zeitweise mehr als 50 Zuhörende fanden beim 52. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP e. V.) den Weg zur Sitzung des Arbeitskreises „Geschichte und Ethik der Wehrmedizin“, die am Nachmittag des 15. Oktober 2021 stattfand. Offenbar besteht ein großes Interesse an medizinhistorischen und -ethischen Themen und mit dem neuen Kongressformat ohne parallele Plenarsitzungen bot sich somit eine gute Teilnahmemöglichkeit an der Arbeitskreissitzung.

Begrüßung und Rückblicke

Der Vorsitzende des Arbeitskreises, Oberstarzt Prof. Dr. Ralf Vollmuth vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam, gab nach Begrüßung der Anwesenden zunächst einen Überblick über die Aktivitäten im vergangenen Jahr. Er erinnerte dabei an die Vorträge der letztjährigen Veranstaltung in Warnemünde und verwies in diesem Zusammenhang auf besondere medizinhistorische und medizinethische Expertisen, die im Zuge der Corona-Pandemie auch von Angehörigen des Arbeitskreises eingeholt wurden.

Prof. Dr. Vollmuth berichtete anschließend über seine Arbeit im Bereich „Militärmedizin und Sanitätsdienst“ am ZMSBw. Wie in vielen anderen Forschungsbereichen galt es, soweit möglich Präsenz zu vermeiden und den wissenschaftlichen Austausch eher in digitaler Form aufrecht zu halten. Schwerpunkte der Forschungstätigkeit lagen aus aktuellem Anlass in der historischen Aufarbeitung der Geschichte des Zentralen Sanitätsdienstes als eigenem Organisationsbereich. Weiter wurde im Rahmen eines großangelegten Projekts einer deutsch-deutschen Militärgeschichte von 1970 bis 1990 intensiv am Vergleich des Sanitätsdienstes der Bundeswehr mit dem Medizinischen Dienst der Nationalen Volksarmee, vornehmlich unter dem Aspekt des Menschenbildes, gearbeitet.

Als personelle Verstärkung stellte Oberstarzt Prof. Dr. Vollmuth als neuen temporären Mitarbeiter Hauptmann Fabian Herlemann M.A. vor. Ebenso erfreulich ist, dass Oberfeldarzt Dr. Dr. André Müllerschön aus dem Sanitätsversorgungszentrum Neubiberg über eine Leistungsvereinbarung aktiv an das ZMSBw angebunden ist. So konnte in Potsdam ein respektabler Forschungsbereich entstehen.

Der Rückblick wurde abgeschlossen durch einen Vortrag von Flottenarzt Dr. Volker Hartmann, Sanitätsakademie der Bundeswehr in München, der über die Arbeit an der Sanitätsakademie auf wehrmedizinhistorischem Gebiet referierte. In Wort und Bild berichtete er insbesondere über den Abschluss der Allgemeinen Regelung „Traditionspflege im Sanitätsdienst der Bundeswehr“ und deren feierliche Unterzeichnung durch den Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr am 28. Juni 2021 in der Militärgeschichtlichen Lehrsammlung. Zudem konnte er den Anwesenden neues, zumeist durch das Militärhistorische Museum der Bundeswehr leihweise übertragenes Großgerät präsentieren und auf das Anfang September 2021 trotz Corona-Einschränkungen erfolgreich durchgeführte vierte Militärmedizinhistorische Seminar mit deutschen und französischen Sanitätsoffizieranwärterinnen und -anwärtern hinweisen. Erstmals wurde hier ein Thema zu der gemeinsamen deutsch-französischen Medizingeschichte aus dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der Erstellung eines wissenschaftlichen Posters behandelt.

Abb. 1: Nach der Begrüßung durch den AK-Vorsitzenden, Oberstarzt Prof. Dr. Vollmuth (links), gab der stellvertretende Vorsitzende, Flottenarzt Dr. Hartmann (rechts), einen Überblick über die Arbeit der Sanitätsakademie der Bundeswehr auf wehrmedizinhistorischem Gebiet.

Wissenschaftliche Vorträge

Peter Bamm

Hauptmann Herlemann M.A. (ZMSBw Potsdam) stellte sein im letzten Jahr begonnenes Promotionsprojekt an der Universität Potsdam zum Themenkomplex „Leben, Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte von Peter Bamm“ vor.

Die Arbeit wurde infolge der bereits 2019 im Sanitätsdienst untersuchten Traditionswürdigkeit des Schriftstellers Peter Bamm angeregt. Dieser hatte in seinem autobiographischen Werk „Die unsichtbare Flagge“ bereits 1952 vielfältige und durchaus auch gelegentlich ambivalente Aspekte des Sanitätsdienstes der Wehrmacht, insbesondere im Krieg gegen die Sowjetunion, beschrieben. Hauptmann Herlemann trug in seinem Werkstattbericht den Forschungsstand seiner Arbeit unter den herausfordernden Bedingungen der Corona-Pandemie und größtenteils nicht digital verfügbaren und verstreuten Archivguts vor. Ziel seiner Arbeit ist es, insbesondere Bamms Wirkung auf die Gesellschaft der jungen Bundesrepublik zu beschreiben und die Umstände ihres Einzugs in die Tradition der Bundeswehr zu beleuchten. Dabei erläuterte der Vortragende die interessante Vita von Peter Bamm (eigentlicher Name Dr. Curt Emmrich) mit Kindheit in Sachsen, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, Studium und Promotion bei dem aufgrund seiner jüdischen Vorfahren verfolgten Physiologen Prof. Dr. Gustav Embden (1874–1933), feuilletonistischer Tätigkeit bei Zeitungen, Arbeit für deutsche und schweizerische Pharmafirmen und schiffsärztlichem Einsatz auf Frachtschiffen.

Von besonderem Interesse für Herlemanns Arbeit ist natürlich Dr. Emmrichs Zeit als Sanitätsoffizier in der 50. Infanterie-Division der Wehrmacht vornehmlich an der Ostfront, um Zensur und Vereinnahmung durch das Nazi-Regime zu entgehen. Schließlich sollen auch Bamms Tätigkeit im Rahmen des Wiederaufbaus des Rundfunks nach dem Krieg und die Anfänge seiner literarisch aufgearbeiteten Kriegserfahrungen und Erlebnisse untersucht werden. Hauptmann Herlemann schloss seinen Vortrag mit dem Hinweis, dass im Zuge verschiedener noch ausstehender Archivbesuche damit zu rechnen ist, weitere interessante Details zum Leben des Schriftstellers aufzudecken, die dann in seinem Projekt zusammengeführt werden können.

Wissenstransfer

Nachfolgend berichtete Oberfeldarzt Dr. Dr. André ­Müllerschön zu dem gemeinsam mit Oberstarzt Prof. Dr. Vollmuth erarbeiteten Thema „Der Deutsch-Französische Krieg als Meilenstein medizinischen Wissenstransfers zwischen Sanitätsdienst und ziviler Forschung.“ Ausgehend von diesem Krieg schlug der Referent einen Bogen in das 20. Jahrhundert und zeigte anhand von ausgewählten Beispielen, wie sich seit 1871 bestimmte Bereiche der Medizin durch Synergien und wechselseitige Impulse zwischen Militär und ziviler Forschung entwickelt haben. Zur Sprache kamen dabei zielgerichtet aufgebaute organisatorische Verbindungen wie die enge Synthese von militärärztlichen Gesellschaften, Bildungsanstalten, zivilen Universitäten und Forschungsinstituten im neugegründeten Kaiserreich. Das galt auch für die Organisations- und Führungsstrukturen des Sanitätswesens und die Einrichtungen der öffentlichen Gesundheitspflege.

Die Entwicklung kulminierte in der 1895 anlässlich des hundertjährigen Bestehens der alten Berliner Pépinière vollzogenen Einrichtung der Kaiser-Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen (KWA). Die Zöglinge dieser zentralen akademischen Lehr- und Bildungsanstalt der preußisch-deutschen Militärmedizin mit ihrer hervorragenden Ausbildungskapazität studierten an der zivilen Charité. Darüber hinaus entwickelte sich die Einrichtung auch zu einem Zentrum der Wissenschaft und Forschung, an dem bedeutende Professoren der Berliner Universität im Lehrkörper, als Dekane oder im Wissenschaftlichen Senat wirkten. Noch heute berät im Sanitätsdienst der Bundeswehr ein aus renommierten Fachleuten bestehender „Wehrmedizinischer Beirat“ den Bundesminister bzw. die Bundesministerin der Verteidigung. Auf der anderen Seite beeinflussen bis in die Gegenwart auch Militärärzte das zivile Gesundheitswesen, wie z. B. die strategische Partnerschaft des Sanitätsdienstes mit dem Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin oder die Berufung von Generalstabsarzt Dr. Holtherm als Abteilungsleiter in das Bundesministerium für Gesundheit während der Corona-Pandemie zeigen.

Der Referent beleuchtete im Anschluss verschiedene medizinische Wissenschafts- und Fachgebiete, die sich im 19. Jahrhundert bahnbrechend weiterentwickelten und auch auf die Militärmedizin innovativ auswirkten. Zur Sprache kamen das Blutspendewesen und die Entdeckung der Röntgenstrahlen im Jahre 1895. Die Medizinalabteilung des preußischen Kriegsministeriums erkannte die Bedeutung dieser Entdeckung sofort und bereits wenige Wochen später entstanden an der Kaiser-­Wilhelms-Akademie und im Garnisonlazarett Nr. 1 in Berlin die ersten Röntgenkabinette.

Besonders augenfällig gestaltete sich der Wissenstransfer in dieser Zeit auf dem Gebiet der Infektiologie. Einer der Hauptprotagonisten neuer mikrobiologischer Entdeckungen und Erkenntnisse war der spätere Nobel-Preisträger Robert Koch (1843–1910), der als Freiwilliger am Deutsch-Französischen Krieg teilnahm und dort erste Erfahrungen bei der Diagnostik und Behandlung von Kriegsseuchen gewann. Sie wurden später im berühmten Kaiserlichen Gesundheitsamt bzw. dem Preußischen Institut für Infektionskrankheiten weiterentwickelt und fanden als präventivmedizinische Empfehlungen bzw. Weisungen Eingang in die einschlägigen Sanitätsvorschriften.

Oberfeldarzt Dr. Dr. Müllerschön schloss seinen Vortrag mit Hinweisen auf die bereits 1820 in die preußische Armee eingeführte Pockenimmunisierung, die im Krieg 1870/71 die deutschen Truppen (im Gegensatz zu den nicht-immunisierten Franzosen) zu großen Teilen vor der Erkrankung bewahrte und wenige Jahre später auch verpflichtend im Deutschen Reich für die Zivilbevölkerung eingeführt wurde.

Japan

In seinem Vortrag „Japanische und deutsche Beiträge zum Aufbau eines modernen Sanitätswesens im Zuge der Modernisierung Japans“ diskutierte Dr. Oliver Corff (Berlin) zum einen die Entwicklungslinien der deutsch-japanischen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen seit der Öffnung Japans Mitte des 19. Jahrhunderts. Darüber hinaus ging der Referent auf wichtige Aspekte der japanischen Militärgeschichte, vor allem in Bezug auf die Änderung des Menschenbildes von der Meiji-Zeit bis in die Gegenwart ein.

Abb. 2: Dr. Corff aus Berlin stellte in seinem Vortrag die Entwicklungslinien der deutsch-japanischen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen seit der Öffnung Japans Mitte des 19. Jahrhunderts vor.

Zunächst erläuterte er den historischen Kontext in Japan Mitte des 19. Jahrhunderts. Die 1853 durch den amerikanischen Marineoffizier Kommodore Perry (1794–1858) mit Kanonenbooten erzwungene Öffnung Japans beendete die jahrhundertelange strenge Selbstisolation und führte zur Wiedereinführung des Kaisertums, der sog. Meiji-Restauration. Es resultierte eine völlige Umgestaltung der Gesellschaft und des Staates in einer Art „Revolution von oben“. Japanische Missionen besuchten das Ausland, um Anschluss an internationale Entwicklungen zu finden. Gleichzeitig wurden – vornehmlich in Deutschland – Wissenschaftler und Ärzte als Berater angeworben, die teilweise über Jahrzehnte im Land verblieben, um die japanischen medizinischen Hochschulen aufzubauen bzw. zu reformieren. Zu nennen sind vor allem deutsche Kliniker wie Julius Scriba (1848–1905) und Erwin Belz (1849–1913) oder Militärärzte wie Leopold Müller (1822–1893), Wilhelm Schultze (1840–1924) oder der Marinearzt Theodor Eduard Hoffmann (1837–1894), der die ersten japanischen Medizinstudenten moderner Prägung ausbildete. Die damals als neuer westlicher Wissensfundus angelegten medizinischen Bibliotheken trugen entscheidend dazu bei, dass viele deutsche Fachbegriffe bis heute in der japanischen Medizin genutzt werden.

Wie Dr. Corff im Weiteren erläuterte, wurden auch die bedeutendsten japanischen Militärärzte, Mori Ogai (1862–1922), der auch in Deutschland bei Robert Koch und Max von Pettenkofer (1818–1901) studierte, und Takaki Kanehiro (1849–1920), der in England ausgebildet wurde, in dieser Zeit geprägt. Beide Ärzte waren Sanitätsoffiziere. Mori Ogai wurde Generaloberarzt der japanischen Landstreitkräfte, Takaki Kanehiro Admiralarzt der Kaiserlichen Marine. Sie verkörperten, basierend auf ihrer Ausbildung in Deutschland und England, unterschiedliche medizinische Schulen – ein Umstand, der sich bei der Bekämpfung der Beriberi-Avitaminose auswirken sollte. Takaki Kanehiro konnte durch ein Bordexperiment nachweisen, dass sich hinter der im damaligen Japan nahezu endemisch grassierenden Beriberi tatsächlich keine Infektionskrankheit verbarg, wie Mori Ogai vermutete, sondern eine Mangelerkrankung, die dem Polieren von Reis als Haupternährungsquelle der Japaner geschuldet war. Durch Umstellung der Bordverpflegung in der Kriegsmarine stellten sich rasche Erfolge bei der Beriberi-Bekämpfung ein. Anhand von Kochbüchern und Speiseplänen der japanischen Marine unterschiedlicher Epochen konnte Dr. Corff die bis heute anhaltenden Bemühungen der jeweiligen Marineführungen nachweisen, für die Besatzungsangehörigen eine ganzheitliche, gesunde und schmackhafte Kost zu gewährleisten. Dies stand im Gegensatz zu den Gegebenheiten im japanischen Heer, wo bis in den Zweiten Weltkrieg hinein Verpflegung, Logistik und Sanitätsdienst eine eher untergeordnete Rolle im Kampf zugemessen wurde.

Der Referent schloss seinen Vortrag mit einer Betrachtung des heutigen Sanitätsdienstes der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte, die unter ihrem Leitbild „Menschlichkeit“ modernste Versorgungsansätze für die in den Einsätzen im In- und Ausland stehenden Angehörigen gewährleisten und ebenso internationale Standards in Gesundheitsmanagement, Fachausbildung, Ausbildung und Wissenschaft erfüllen.

Vietnam

Flottenarzt Dr. Hartmann warf in seiner Präsentation „Vor 50 Jahren: Das Lazarettschiff ,Helgoland´ im Vietnam-Einsatz“ einen Blick auf den Einsatz des deutschen Hospitalschiffs „Helgoland“, das im Auftrag des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) von 1966 bis 1972 vor Saigon und Da Nang medizinische Hilfeleistung für die vietnamesische Bevölkerung gewährte.

Die „Helgoland“ war ursprünglich ein in Cuxhaven liegendes Seebäderschiff, das Anfang der sechziger Jahre mit ihren Schwesterschiffen regelmäßig zu Krankentransportübungen der Bundesmarine gechartert wurde und deshalb relativ schnell für einen schwimmenden Krankenhausbetrieb umzubauen war. Im Zuge des beginnenden Vietnam-Krieges verpflichtete sich die Bundesrepublik, statt Kampftruppen ein Hospitalschiff nach Vietnam zu entsenden. Es folgte ein fachgerechter Umbau bei der Howaldt-Werft in Hamburg mit Einrüstung von 150 chirurgischen und internistischen Betten, einer Röntgenabteilung und umfangreicher septischer und aseptischer Operationsräumlichkeiten. Das Pflegepersonal, allesamt Freiwillige, rekrutierte das DRK aus den eigenen Reihen, hinzu kamen pro Einsatzzeitraum von einem halben Jahr 7–8 Fachärzte, vornehmlich aus operativ tätigen Fachgebieten; aber auch Kinderärzte und Tropenmediziner standen zeitweise zur Verfügung.

Das Schiff verließ Deutschland am 10. August 1966, um sich zunächst für ca. ein Jahr vor der südvietnamesischen Hauptstadt Saigon an der medizinischen Versorgung der Zivilbevölkerung zu beteiligen. Danach verlegte man in das medizinisch deutlich schlechter versorgte Da Nang. Dort standen für 350 000 Einwohner lediglich 500 Ärzte zur Behandlung zur Verfügung. Die „Helgoland“ agierte dabei strikt nach den Richtlinien der Genfer Konvention als neutrales unabhängiges „Unternehmen“ und versorgte ausschließlich die notleidende Zivilbevölkerung. Die Behandlung von Kombattanten, ebenso ­Beschlagnahme und Durchsuchung, waren untersagt. Tatsächlich leistete die Besatzung des Schiffes dort in den folgenden Jahren eine segensreiche Arbeit. Vor allem verwundete Kinder konnten erfolgreich ersttherapiert und nachbehandelt werden; ebenso wurden zahlreiche Patienten mit typischen Kriegs- und Brandwunden einer Behandlung zugeführt. Das DRK bilanzierte schließlich 12 000 stationäre Behandlungen, 70 000 Erstkonsultationen in der Ambulanz, 130 000 Mehrfachkonsultationen, 11 000 Operationen und die Anfertigung von 50 000 Röntgenbildern.

Von Freund und Feind respektiert wurde die „Helgoland“ in ihrer jahrelangen Arbeit niemals beschossen – auch nicht in den Tagen der Tet-Offensive 1968, in der die US-amerikanischen Basen in Da Nang von dem Vietkong unter Feuer genommen wurden. Kein Besatzungsmitglied kam zu Schaden. Der Einsatz der „Helgoland“ endete am 18. Januar 1972 mit einem Festakt an Bord. Ein Malteser-Krankenhaus setzte die deutsche humanitäre Hilfe vor Ort fort.

Koblenz

Der letzte Vortrag führte aus Fernost wieder zurück zum Ort der diesjährigen DGWMP-Tagung: Der im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr für das Museums- und Sammlungswesen und für Tradition zuständige Referent Oberstleutnant Andreas Biebricher M.A. trug als einheimischer und auch wissenschaftlich ausgewiesener Kenner der örtlichen Geschichte über 2000 Jahre „Geschichte von Koblenz unter besonderer Berücksichtigung seiner Funktion als Garnisonsstadt“ vor und brachte zum Abschluss des Tages einiges Lokalkolorit in die Veranstaltung.

Abb. 3: Oberstarzt Prof. Dr. Vollmuth dankt Oberstleutnant Biebricher für die lebendige Reise durch 2000 Jahre Koblenzer Geschichte

Kontinuierlich besiedelt war das heutige Stadtgebiet schon in der Mittelsteinzeit. Keltischen Ansiedlungen folgte die lange prägende Epoche der römischen Besatzung an Mittelrhein und Mosel, die vor allem die militärische Sicherung der Rheinachse Xanten – Mainz zum Zweck hatte. Diese erste große wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit, die auch den Namen der Stadt „Confluentes“ (= die „Zusammenfließenden“) generierte, wurde im 5. Jahrhundert im Zuge der Völkerwanderung durch die fränkische Periode abgelöst.

Bis in das Mittelalter hinein spielte Koblenz jedoch durch seine strategische Bedeutung, die günstige Verkehrslage, die Befestigungsmöglichkeiten, aber auch wichtige geistliche Einrichtungen und Kirchen als Schauplatz hochrangiger Gipfeltreffen und Ereignisse wie Königswahlen oder Reichs- und Hoftage eine große Rolle. Auch Schlachten und kriegerische Auseinandersetzungen blieben in diesem Zusammenhang nicht aus, die mehrfach zu teilweise weitläufigen Zerstörungen in der Stadt führten, wie beispielsweise im Dreißigjährigen Krieg. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg wurde Koblenz durch die Franzosen verheert. Bis 1794 stand die Stadt unter weltlicher Herrschaft der Trierer Kurfürstbischöfe, reformatorisches Gedankengut konnte sich hier eher nicht durchsetzen. Der noch heute geläufige Name „Deutsches Eck“ entstammt der Ansiedlung des „Deutschen Ritterordens“.

Nach der französischen Revolution flohen zahlreiche Royalisten in die Stadt, die sich als eine Art „Klein-Paris“ zu einem Hort der Gegenrevolution entwickelte. Der Einzug der Revolutionsarmeen im Herbst 1794 beendete diese Tendenzen und begründete eine 20-jährige französische Herrschaft. Mit der Niederlage Napoleons gegen die Verbündeten und dem Einzug russischer und preußischer Truppen 1814 endete diese Zeit der Fremdherrschaft. Auf dem Wiener Kongress wurden Koblenz und umgebene Gebiete unter dem in Koblenz geborenen Fürst Metternich Preußen zugeschlagen und Hauptstadt wie Sitz des Oberpräsidenten der neuen preußischen Rheinprovinz (ab 1822). Die militärische Bedeutung von Koblenz stieg, auch wegen der weiter ausgebauten und zum Teil noch heute vorhandenen Fortifikationen um die Festung Ehrenbreitstein, in den kommenden Jahrzehnten weiter. Dabei gestaltete sich das Verhältnis zwischen den katholischen Rheinländern und den eher protestantisch nüchternen Preußen herausfordernd.

Der Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommende Fremdenverkehr, die Rheinschifffahrt (Rheinromantik) und neue Stadtviertel trugen zum Wohlstand der Stadt bei. In den Kriegen des 20. Jahrhunderts spielte Koblenz als wichtige strategische militärische Drehscheibe eine große Rolle, 1945 lagen nach zahlreichen Luftangriffen 87 % der Stadt in Trümmern. Abschließend skizzierte Oberstleutnant Biebricher die wichtige Rolle von Koblenz als Sitz der Verfassungskommission und des ersten Landtags nach der Gründung des neuen Bundeslandes Rheinland-Pfalz.

Fazit

Die Sitzung des Arbeitskreises war ein voller Erfolg, auch wegen der für das Spezialgebiet Medizingeschichte und -ethik verhältnismäßig großen Zuhörerschaft. Die Entzerrung des Kongressprogramms ohne Plenarsitzungen am Nachmittag des 15. Oktober ermöglichte es den Kongressteilnehmenden, an Sitzungen von Arbeitskreisen bzw. Wettbewerben teilzunehmen, ohne dabei hochwertige Plenarvorträge zu verpassen. Sicher war es aber auch und in erster Linie der Qualität der Vorträge und Vortragenden zu verdanken, dass der eine oder andere, der nur einmal kurz reinschnuppern wollte, dann doch blieb.

Der Vorstand des Arbeitskreises „Geschichte und Ethik der Wehrmedizin“ freut sich schon auf den nächsten Kongress im Oktober 2022 im hoffentlich gleichen Format.

Verfasser

Flottenarzt Dr. Volker Hartmann

Stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Geschichte und Ethik der Wehrmedizin der DGWMP e. V.

E-Mail: akgeschichte@webmail.dgwmp.de