Wehrmedizinische Monatsschrift

INFORMATION IM FOKUS

COVID-19-Pandemie: Zwischenstand April 2020

am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg

Felix Königa

a Bundeswehrkrankenhaus Hamburg – Klinik I, Innere Medizin

 

Einleitung

Mit der zunehmenden Ausbreitung des neuen Coronavirus starteten auch am Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Hamburg Anfang März umfangreiche Vorbereitungen für die Versorgung von COVID-19-Patienten 1 . Ein Ende der Pandemie ist aktuell nicht absehbar, deshalb soll im Folgenden ein Zwischenstand (Stand aller Daten und Fakten: 15. April) wiedergegeben werden. Hierbei wird zunächst ein Einblick in die Führungsorganisation des Krankenhauses gegeben, anschließend das Behandlungskonzept dargestellt und abschließend ein erstes und vorläufiges Zwischenfazit gezogen.

Abb. 1: Ein typisches Bild für die COVID-Pandemie: Entnahme eines oropharyngealen Abstrichs

Führung

Mit dem Fortschreiten der Pandemie und in Erwartung steigender Patientenzahlen rief der Kommandeur und Ärztliche Direktor, Admiralarzt Dr. Knut Reuter, das Lagezentrum der Krankenhauseinsatzleitung (KEL) zusammen. Dabei konnte das BwKrhs Hamburg auf einige praktische Erfahrung in anderem Zusammenhang zurückgreifen: Die Organisationsform „KEL“ wurde bereits in Lagen wie dem G20-Gipfel in Hamburg 2017 oder bei Katastrophenübungen erprobt und optimiert. Unter Leitung des Beauftragten Rettungsmedizin (BeaRettMed), Oberstarzt Dr. Andreas Schwartz, koordiniert die KEL alle Bereiche des Krankenhauses und unterstützt den Kommandeur auf diese Weise darin, schnellstmöglich auf Lageänderungen reagieren zu können.

Es wurde somit ein Krankenhaus-Lagezentrum ­„COVID-19“ eingerichtet und mit Kommunikationsmitteln versehen. Damit war eine immer erreichbare zentrale Ansprechstelle für alle Beteiligten – gerade auch für externe Stellen – vorhanden.

In Lagebesprechungen, täglich mit dem Stab und ­anderen wichtigen Akteuren sowie mehrfach wöchentlich für die Klinischen Direktoren und Stationsleitungen, wurden Informationen ausgetauscht und ein einheitliches Lagebild geformt. Der Kommandeur und seine KEL waren so stets „am klinisch-organisatorischen Puls“ des Krankenhauses und konnten kurzfristig agieren und ­reagieren.

Abb. 2: Der Kommandeur und Ärztliche Direktor wandte sich per Videoansprache an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BwKrhs Hamburg – eine moderne und dem Infektionsschutz angemessene Alternative zur Personalversammlung.

Zur Information aller Krankenhausangehörigen wurde zunächst als bewährtes Kommunikationsmittel eine Mitarbeiterbesprechung einberufen, die jedoch kurze Zeit später wieder abgesagt werden musste. Aufgrund der hochdynamischen Entwicklung der Infektionszahlen wurde evident, dass das Infektionsrisiko einer solchen Massenveranstaltung einfach zu hoch sein würde. Die ­Abwägung von Infektionsschutz gegenüber dem Informationsbedürfnis war überhaupt sicherlich eine der schwierigsten für den Kommandeur, der ständig beiden Ansprüchen gerecht werden musste. Zum Glück konnte auch hier auf bewährte Strukturen zurückgegriffen werden: Mit dem hauseigenen Intranet, auf dem auch im „Grundbetrieb“ alle aktuellen Informationen abrufbar sind, konnten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ständig auf dem neuesten Stand gehalten werden. In Kooperation mit der Krankenhaushygiene wurde ein neuer Bereich im Intranet eingeführt, der nach kurzer Zeit als „Corona-Button“ in aller Munde war und nicht mehr fortzudenken ist (siehe Bilder). Hier werden zum einen immer wieder Neuigkeiten, zum anderen aber auch feststehende Standards und Arbeitsanweisungen eingestellt und damit stets aktuell abrufbar gehalten.

Das Sachgebiet Z1 (Qualitätsmanagement) setzte bei der Mitarbeiterinformation noch weitere, moderne Medien ein: So wurde anstelle der Mitarbeiterversammlung im Haus-Intranet kurzerhand eine Videobotschaft des Kommandeurs eingestellt. Zusätzlich wurde ein hausinterner Podcast mit mittlerweile acht Folgen ins Leben gerufen, in dem nicht nur der Kommandeur, sondern auch weitere beteiligte Mitarbeiter zu Wort kommen.

Abb. 3: Der „Corona-Button“ ist der Hauptanlaufpunkt für Informationen im Krankenhaus-Intranet (Screenshot)

Abb. 4: Ausschnitt aus den über den „Corona-Button“ aufrufbaren Funktionen (Screenshot)

Diagnostik und Therapie

Das entscheidende Erfolgskriterium aller Anstrengungen muss natürlich die erfolgreiche Behandlung sowie die Vorhaltung von Behandlungskapazität für COVID-19-Patienten sein. Nicht vergessen werden darf aber, dass auch weiterhin die meisten Patienten an anderen Erkrankungen leiden. Selbstverständlich müssen diese weiterbehandelt werden – mit demselben Qualitätsanspruch wie zu „normalen“ Zeiten. In diesem Spannungsfeld entschied sich der Kommandeur für eine gedankliche „Vierteilung“ des Krankenhauses und eine entsprechende Zuordnung des Personals:

Dabei bildeten Fieberambulanz und die COVID-Stationen komplett neue Organisationseinheiten mit einem vorher nicht bestehenden Personalpool. Die Personalrekrutierung war dabei die größte Herausforderung: Schließlich erfordert die Behandlung von COVID-Patienten insbesondere für nicht-internistisch geprägtes medizinisches Personal eine echte Umstellung gewohnter Arbeitsabläufe. Es zeigte sich aber, dass auch fachlich anderweitig erfahrene Kollegen – Supervision, eine gute Organisation und Qualitätsmanagement vorausgesetzt – exzellente Arbeit an diesem zum Normalfall differenten Patientengut leisten können.

Abb. 5: Die Fieberambulanz wurde aufgebaut, um die Notaufnahme von fußläufigen COVID-Verdachtsfällen zu entlasten.

In der stationären Versorgung – und ganz besonders auf der High-Care-Seite – mussten im Vergleich zur ambulanten Behandlung noch deutlich umfangreichere ­Auswahl- und Schulungsbemühungen erfolgen. Insbesondere bei der aktuellen Verdreifachung der Intensiv-Behandlungskapazität (denn „nur Beatmung“ reicht ja nicht), waren enorme Anstrengungen aller Beteiligten nötig.

Eine Auswertung der Behandlungsfälle und Bewertung der jeweiligen Arbeitsabläufe erfolgt zurzeit und soll mit Stand Juni 2020 in der Wehrmedizinischen Monatsschrift veröffentlicht werden.

Erstes Zwischenfazit und „lessons identified“

Das erste Fazit lautet: „Es ist zu früh für ein echtes Fazit.“

Wir wissen noch nicht, wie sich die Pandemie weiter entwickeln wird. Trotzdem – oder gerade deswegen – sind zwei Dinge wichtig:

  1. Wir müssen bereits jetzt schon Erkanntes notieren um das frische Wissen nicht zu verlieren.
  2. Wir müssen uns davor hüten, Dinge mit dem „Retrospektoskop“ zu beurteilen.

Besonders Ärztinnen und Ärzte (sollten) wissen, dass sich Situationen „live“ häufig anders darstellen, als „in der Frühbesprechung am nächsten Morgen“ – oder eben „nach der Pandemie“.

Drei Dinge sind aber aktuell schon auffällig, und sollen daher – mit allem Vorbehalt – als Zwischenfazit angesprochen werden.

Erreichbarkeit des Personals

Es stellte sich schnell heraus, dass die Erreichbarkeit des Personals eine besondere Herausforderung sein würde. Dabei geht es um zwei Aspekte: Zum einen um die Erreichbarkeit von zentralen Ansprechpartnern (z. B. Lagezentrum), zum anderen aber auch um die niederschwellige Erreichbarkeit auch der Mitarbeiter, die sich zu diesem Zeitpunkt nicht in der Dienststelle befinden.

Auf die erste Herausforderung konnte schnell reagiert werden: Mit der Schaltung von zwei internen Hotline-Telefonnummern wurde ein fester Kommunikationsweg etabliert. Zunächst wurde eine Nummer geschaltet, die im Lagezentrum aufläuft und ansprechbar ist für alle übergreifenden organisatorischen Angelegenheiten. Schnell wurde klar, dass auch fachlicher Informationsbedarf seitens der Mitarbeiter und teilweise auch externer Stellen (z. B. Gesundheitsamt/ÖrABw 2 ), bestand; zu diesem Zweck wurde eine zweite Hotline geschaltet, die im „Backoffice“ der Fieberambulanz aufläuft und ständig mit einem geschulten Arzt besetzt ist.

Zur niederschwelligen Erreichbarkeit der Mitarbeiter auch zuhause kam dem BwKrhs Hamburg zugute, dass das Sachgebiet Z1 (Qualitätsmanagement) mit ausgewählten Abteilungen des Hauses bereits seit einigen Monaten den Bundeswehr-Messenger „Stashcat“ erprobte. Durch schnelles Handeln aller Beteiligten konnte dieses Tool, das salopp auch als „offizielles WhatsApp der Bundeswehr“ bezeichnet wird, für alle Mitarbeiter des Hauses zur Verfügung gestellt werden. Das Angebot wurde schnell angenommen und ist – dieses Zwischenfazit sei erlaubt – ein wesentlicher Grund dafür, dass sich die Informationsverteilung trotz größeren Volumens nicht verkompliziert, sondern vereinfacht hat.

Herausforderung „Interne Kommunikation“

Überhaupt ist die interne Kommunikation, auch das lässt sich bereits heute erkennen, eine riesige, wenn nicht DIE Führungsherausforderung in der Krise. Es ist und bleibt ein ständiger Kampf gegen „Teeküchengerüchte“, die sich interessanterweise trotz Kontaktverbot und Distanzgebot in Windeseile verbreiten. Hier helfen nur die oben beschriebenen Maßnahmen: Tägliche – oder besser noch häufigere – seriöse und niederschwellige Informationsangebote für alle Mitarbeiter.

Ausnahmezustand schweißt zusammen

Ein letztes Zwischenfazit lässt sich ebenfalls ziehen: Ähnlich, wie viele von uns es aus dem Auslandseinsatz kennen, schweißt der Ausnahmezustand zusammen und weckt Reserven. Besonders zu Beginn der Krise wurden viele Dinge in Tagen möglich gemacht, die sonst Wochen gebraucht hätten. Alle ziehen an einem Strang, und das mit Erfolg. Es zeigt sich aber auch, dass strukturelle Defizite auch im Krisenfall weiterbestehen. Dies sollten wir als Chance begreifen, suboptimale Abläufe und Strukturen zu identifizieren, um sie in ruhigeren Zeiten ändern zu können.

Manuskriptdaten

Zitierweise

König F: COVID-19-Pandemie: Zwischenstand April 2020 am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. WMM 2020; 64(S1): e17.

Verfasser

Oberstabsarzt Dr. Felix König

Bundeswehrkrankenhaus Hamburg

Klinik I – Innere Medizin

Lesser Str. 180, 22049 Hamburg

E-Mail: felixkoenig@bundeswehr.org


1 Im Sinne einer besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag überwiegend die maskuline Form (z. B. Soldat, Patient, Arzt) benutzt; gemeint sind aber immer alle Geschlechter.

2 ÖrABw = Öffentlich-rechtliche Aufsicht für Arbeitssicherheit und Technischen Umweltschutz bei der Bundeswehr und bei den Gaststreitkräften.