Wehrmedizinische Monatsschrift

COVID-19-DIAGNOSTIK

CT-Thoraxuntersuchung als Screeningmethode bei
COVID-19-Verdacht – schnell verfügbar und hochsensitiv

 
 

Daniel A. Veit a, Kai Nestler a, Benjamin V. Beckera, Bastian Krull a, Frank Müller b, Stephan Waldeck a

a Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz / Abteilung VIII – Radiologie

b Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz / Klinik für Innere Medizin

 

Einleitung

Die durch das SARS-CoV-2 ausgelöste Pandemie stellt Ärztinnen und Ärzte weltweit vor bisher nicht dagewesene infektiologische und logistische Herausforderungen. Essenziell für eine erfolgreiche Bekämpfung des Virus ist eine zuverlässige und schnell verfügbare Diagnostik, um frühzeitig eine Isolation erkrankter Personen zu gewährleisten. Der Goldstandard hierfür ist der Nachweis von Virus-RNA mittels PCR (Polymerase Kettenreaktion), wobei der Befund jedoch sowohl in frühen Krankheitsstadien als auch bei dominant pulmonalen Befundmuster negativ sein kann. Dies birgt die Gefahr einer falschen Sicherheit und führt – bei dann ausbleibender Isolation des Betroffenen – zu einer weiteren unkontrollierten Verbreitung der Erkrankung.

Die Autoren stellen anhand des Ergebnisses einer selektiven Literaturrecherche und auf der Grundlage eigener Erfahrungen die Vor- und Nachteile eines zusätzlichen Screenings mittels nativer Computertomografie (CT) des Thoraxes dar.

Problemstellung

Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ist ein hochvirulenter Krankheitserreger, der sich überwiegend durch Tröpfcheninfektion überträgt. Der Altersmeridian der Erkrankten liegt in Deutschland zum Zeitpunkt der Publikation bei etwa 47 Jahren mit einer leichten Überrepräsentation von Männern gegenüber Frauen (55 % vs. 45 %). Als Leitsymptom der Erkrankung zeigen sich Fieber (>80 %) und trockener Husten (>60 %), neben allgemeinem Krankheitsgefühl, Schnupfen und Durchfällen. Hauptrisikogruppen für einen schweren Krankheitsverlauf, verbunden mit langer Hospitalisierung und Intubations-/Beatmungspflichtigkeit, sind ältere und vorerkrankte Personen [6].

Virologische Erkenntnisse geben deutliche Hinweise darauf, dass eine Infektiosität bereits > 24 h vor Auftreten erster Krankheitssymptome besteht. Zudem ist das Ergebnis einer Testung mittels PCR als hochsensitives und hochspezifisches Verfahren aufgrund des Testalgorithmus meist erst mit einer Latenz von bis zu 24 h verfügbar. Daneben kann bei falsch durchgeführtem Abstrich die Labor-Sensitivität deutlich abnehmen. Vor dem Hintergrund und der Bedeutung einer angestrebten Isolation infektiöser Patienten stellt dieses sowohl die behandelnden Mediziner und als auch Infektiologen vor enorme Herausforderungen. Als möglicher Lösungsansatz für dieses Problem bietet sich – bei klinisch bestehenden Verdacht auf eine COVID-19 und pulmonaler Symptomatik – die Durchführung einer CT-Thoraxuntersuchung als Screeningmaßnahme an.

Computertomografie des Thorax

Die native CT des Thorax ist als etabliertes Diagnostikverfahren deutschlandweit flächendeckend und schnell verfügbar. Bei einer Anzahl von aktuell ca. 2 800 CT-Scannern und 6 800 Fachärztinnen/-ärzten für Radiologie deutschlandweit besteht hier eine flächendeckende Versorgung der Bundesrepublik. Nicht zuletzt auch über online verfügbare radiologischen Bilddatenbanken findet ein schneller Informationsaustausch über die typischen Bildmuster bei COVID-19 statt.

Die CT des Thorax zeigt eine hohe Sensitivität [1][2] bei zudem unmittelbar verfügbaren Daten. Im Rahmen der computergestützten Nachbearbeitung mittels 3D-Volumetrie kann zudem eine quantitative Beurteilung der betroffenen Lungenanteile getroffen werden (Abbildung 1). Dies kann neben der klinischen Symptomatik prognostische Hinweise über den weiteren Krankheitsverlauf in Bezug auf Hospitalisation und zukünftige Intubationspflichtigkeit geben.

Abb. 1: (A) Typische CT-morphologische Befunde einer Covid-19-Erkrankung mit peripher betonten, milchglasartigen Trübungen (schmaler Pfeil) im Sinne eines Flüssigkeitsaustritts nach alveolär sowie „cracy-paving“-Muster (breiter Pfeil) als Korrelat eines bereits beginnenden Parenchymumbaus; (B) farbkodierte Auswertung der Bilddaten zur quantitativen Analyse des Befalls

Die rechtfertigende Indikation zu einer CT-Thorax Untersuchung wird durch eine(n) Fachärztin/den Facharzt für Radiologie anhand der klinischen Angaben gestellt (§ 119 Strahlenschutzverordnung). Die applizierte Strahlendosis liegt in Abhängigkeit vom jeweiligen Untersuchungsprotokoll bei modernen Scannern bei < 1 mSv [5].

Im Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZKrhs) Koblenz wird bei Verdacht auf eine COVID-19-Pneumonie grundsätzlich eine native dosismodulierte „low-dose“ Thorax-CT durchgeführt. Der gewonnene Datensatz wird anschließend multiplanar im Lungen- und Weichteilfenster mit einer Schichtdicke (SD) von 3 mm rekonstruiert mit zusätzlichen 1 mm HR-Schichten (high resolution) sowie MIP-Rekonstruktionen (maximum intensity projection). Anschließend erfolgt eine computergestützte Auswertung mittels Nachverarbeitungssoftware (SyngoVia® ­Siemens Pulmo3D oder -Vitrea Lung Density Analysis) mit quantitativer Erfassung der betroffenen Lungenanteile (Differenzierung Milchglastrübung und Konsolidationen vs. gesundes Parenchym), Abbildung 1.

Diskussion

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei den untersuchten Patienten in der Regel um > 60 Jahre alte Patienten handelt, spielt die Strahlenexposition gegenüber dem Benefit einer schnellen und sensitiven Diagnostik eine untergeordnete Rolle. Eine Kontrastmittelgabe ist zur Beantwortung der Fragestellung nicht erforderlich; somit können auch keine unerwünschten Kontrastmittelnebenwirkungen anfallen. Da die Untersuchung nativ erfolgt, kommt es auch zu keiner Verzögerung der Diagnostik aufgrund von noch ausstehenden Nieren- und/oder Schilddrüsenwerten. Die Indikation wird bei uns grundsätzlich durch einen fachkundige(n) Fachärztin/Facharzt für Radiologie gestellt, im Dialog mit den behandelnden Kolleginnen/Kollegen und abhängig vom klinischen Untersuchungsbefund.

Die Beurteilung ordnet die Befunde folgenden 4 Untergruppen zu:

  1. Typisches Bild einer atypischen Viruspneumonie, z. B. vereinbar mit einer COVID-19-Pneumonie (Abbildung 1)
  2. Mischbild aus Konsolidationen und atypischen Infiltraten, grundsätzlich auch vereinbar mit einer COVID-19-Pneumonie. (Abbildung 2)
  3. Kein typisches Befundmuster einer COVID-19-Pneumonie (Abbildung 3)
  4. Unauffälliges Thorax-CT

 

Abb. 2: Mischbild einer fraglichen SARS-CoV-2-Infektion mit auch atypischen Befunden: (A) Neben nur vereinzelten milchglasartigen Trübungen finden sich eher atypische Dystelektasen und geringe Pleuraergüsse. (B) Auch unilaterale milchglasartige Veränderungen sind nicht eindeutig für eine Covid-19-Infektion. (C) Neben einem typischen peripheren Verteilungsmuster von fleckförmigen Verdichtungen ist das Vorliegen eines „tree-in-bud“ Phänomens eher untypisch.

Abb. 3: Verschiedene CT-Beispiele untypischer Befunde von Patienten mit Verdacht auf COVID-19, die nicht zu einer Verwechslung führen dürfen: (A) Unauffälliges CT, (B) flächige Konsolidierung im Sinne einer Bronchopneumonie, (C) zentral betonte bronchiolitische Veränderungen

Der große Vorteil einer hohen Sensitivität der Computertomografie wird durch ihre geringere Spezifität gemindert [4]. So erreichten Radiologen in ersten Studien aus den betroffenen chinesischen Regionen mittels CT-Bildgebung eine Sensitivität von 72-94 % und eine Spezifität von 24-94 % bei der Unterscheidung von COVID-19-Pneumonien zu sonstigen viralen Pneumonien [2][6]. Das Hauptproblem der niedrigen Spezifität liegt unter anderem darin, dass das Befundmuster einer COVID-19-Pneumonie dem einer atypischen viralen Pneumonie weitgehend ähnelt. Zudem treten in späten Verlaufsformen zunehmend bakterielle Superinfektionen und Fibrosen auf. Damit kann rein bildmorphologisch grundsätzlich nicht zwischen einer ­COVID-19 assoziierten Pneumonie und einer anderen viralen Pneumonie (z. B. Influenza) unterschieden werden. Weitere Fallserien aus China zeigten bei 1 014 Patienten mit initial negativer PCR in 75 % der Fälle einen positiven CT-Thorax Befund (308/413). Zudem zeigte diese Studie bezüglich der Sensitivität eine Überlegenheit der CT vs. der PCR Testung (88 % vs. 59 %) [1]. Dies kann bei genauerem Betrachten der Daten u. a. sowohl an der Latenz der Testung als auch an einem möglicherweise dominant pulmonalen Befall mit dann negativem Rachenabstrich der PCR liegen.

Die Hauptaufgabe für den Kliniker und damit die wesentliche Anforderung an die Diagnostik in der aktuellen Pandemielage besteht jedoch primär darin, infektiöse und erkrankte Patienten möglichst schnell zu identifizieren, damit eine frühzeitige Isolation stattfinden kann. Nur so können sowohl andere Patienten als auch das medizinische Personal vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 geschützt werden. Als Goldstandard sollte dann bei positivem CT-Befund der direkte labormedizinische Nachweis mittels 2-facher PCR erfolgen, um den Verdacht zu bestätigen oder auszuräumen.

Darüber hinaus besteht ein weiterer Vorteil der Thorax-CT darin, dass die bildmorphologische Verlaufskontrolle des Lungenbefalls wichtige Hinweise zur Krankheitsdynamik und der damit einhergehenden Therapie geben kann.

Fazit

Aus Sicht der Autoren ist das Thorax-CT als deutschlandweit schnell verfügbare diagnostische Methode in Kombination mit dem Goldstandard der PCR eine sichere und praktikable Screening-Methode zur Detektion von infektiösen Patienten mit COVID-19.

Abhängig vom Befund des initial durchgeführten Thorax-CT kann eine sichere Aussage über das Ausmaß des pulmonalen Befalls getroffen werden. Somit können in der Notaufnahme infektiöse Patienten frühzeitig identifiziert werden und solche mit einem schweren pulmonalen Befallsmuster schnellstmöglich einer zielgerichteten Therapie zugeführt werden.

Literatur

  1. Ai T, Yang Z, Hou H, Zhan C et al.: Correlation of chest CT and RT-PCR testing in coronavirus disease 2019 (COVID-19) in China: a report of 1014 cases. Radiology 2020; 20642. mehr lesen
  2. Bai HX, Hsieh B, Xiong Z et al.: Performance of radiologists in differentiating COVID-19 from viral pneumonia on chest CT. Radiology 2020; 200823. mehr lesen
  3. Bernheim A, Mei X, Huang M et al.: Chest CT findings in coronavirus disease-19 (COVID-19): relationship to duration of infection. Radiology 2020; 200463. mehr lesen
  4. Fang Y, Zhang H, Xie J, Lin M, Ying L, Pang P, J W: (2020). Sensitivity of chest CT for COVID-19: comparison to RT-PCR. Radiology 2020; 200432. mehr lesen
  5. Nagel H D, Hering K G, Hieckel HG: Protokollempfehlungen der AG DRauE zur Durchführung von Low-Dose-Volumen-HRCT-Untersuchungen der Lunge. Fortschr Röntgenstr 2017; 189: 553-567. mehr lesen
  6. Robert-Koch-Institut: SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronaviruskrankheit 2019 (COVID 2019). , letzter Aufruf 1. April 2020. mehr lesen
  7. Shi H, Han X, Jiang N, Cao Y et a.: Radiological findings from 81 patients with COVID-19 pneumonia in Wuhan, China: a descriptive study. The Lancet Infectious Diseases 2020; 20(4); 425-434.. mehr lesen

Manuskriptdaten

Zitierweise

Veit DA, Nestler K, Becker BV, Krull B, Waldeck S:

CT-Thoraxuntersuchung als Screeningmethode bei COVID-19-Verdacht – schnell verfügbar und hochsensitiv. WMM 2020; S1: e1.

Für die Verfasser

Oberfeldarzt Dr. Daniel A. Veit

Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

Abteilung VIII – Radiologie

Rübenacher Str. 170, 56072 Koblenz

E-Mail: danielantonveit@bundeswehr.org