Wehrmedizinische Monatsschrift

FRIKTIONEN GELÖST

Die Anpassung der Intensivstation 74 des Bundeswehrkrankenhauses
Westerstede an die Bedingungen der COVID-Krise –
Friktionen und Lösungswege aus Sicht der Pflege

Christiane Sohr a, Stefan Liebrecht a, Alexander Reichling a, Melanie Koch a

a Bundeswehrkrankenhaus Westerstede – Abteilung XXV/Klinik X – Anästhesie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin

 

Einleitung

Im Zuge der Umgestaltung aller Krankenhausroutinen als Reaktion auf die erste Welle der Covid-19-Pandemie wurde die bis dahin durch die Kliniken für Anästhesie und Intensivmedizin in zivil-militärischer Zusammenarbeit für die Versorgung interdisziplinär zugeordneter Patienten genutzte Intensivstation 74 für die Intensivmedizinische Versorgung beatmungspflichtiger COVID-19-Patienten infrastrukturell und personell vorbereitet und teilweise umgewidmet. Dieser Artikel soll aus Sicht der Pflege die dabei aufgefallenen Probleme und die entsprechenden Lösungsansätze aufzeigen.

Die Autorinnen und Autoren sind sich dabei der Tatsache bewusst, dass der Zeitpunkt für einen beschreibenden Rückblick eigentlich noch nicht gekommen ist, da insbesondere die Verlautbarungen der WHO über die globale Coronakrise sowie die Nachrichten über die Lageentwicklung im benachbarten Ausland – und auch bei uns – darauf hindeuten, dass wir uns sehr wahrscheinlich noch nicht am Ende der Krise befinden. Es erscheint aber mehr als logisch, Erfahrungen, die mit der „ersten Welle“ eines ja neuartigen Pandemieerregers gemacht wurden, kritisch auszuwerten und dadurch für ggf. folgende Phasen der Krise („zweite Welle?“) nutzbar zu machen. In diesem Beitrag sollen insbesondere die im Klinikzentrum Westerstede beschrittenen Wege aufgezeigt werden, um bei gegebener Infrastruktur eine Flexibilität herzustellen, die verschiedenen Intensitätsstufen der Pandemie gerecht werden konnten und können.

Ein weiteres zentrales Thema war zumindest in der Anfangszeit der befürchtete und zum Teil auch reale Mangel an Elementen der persönlichen Schutzausrüstung (PSA). Dieser Artikel beschreibt deshalb auch, durch welche Ausbildungsmaßnahmen der „sparsame“ Umgang mit dieser „Mangelware“ geübt wurde, um dem Problem zu begegnen.

Flexible Anpassung der Raumorganisation
an das Patientenaufkommen

Der befürchtete Mangel an PSA führte im Bereich der Intensivstation zu der Überlegung, dass das Material sparsamer angewendet werden kann, wenn nur jeweils so grosse Anteile der Station als mit SARS-CoV-2 kontaminierte Bereiche definiert werden, wie es das jeweilige Patientenaufkommen erfordert. Das Tragen einer vollständigen PSA ist dann in bei geringerem Patientenaufkommen nur in kleineren Bereichen und bei weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erforderlich als bei größerem Aufkommen. Es wurde daher – auch um häufiges Umkleiden und Wechseln der PSA zu vermeiden – in der Vorbereitung auf die erste Welle der Pandemie ein Stufenplan erstellt, der drei verschiedene Eskala­tionsstufen (Echo) definierte:

Dieser Stufenplan führte bei seiner Anwendung anfangs zu verschiedenen fehlerhaften Prozessen. So mussten aufgrund des durch die Neuaufteilung entstehenden Mangels an Lagerungsmöglichkeiten die Arztzimmer teilweise als Geräteraum genutzt werden. Da auch dies noch nicht reichte, wurden manche Geräte unter Einhaltung der Hygienevorschriften auch in den Patientenzimmern selbst vorgehalten. Weiter wurden Sets mit häufig genutzten Materialien gepackt, um durch den Mangel an Lagerräumen bedingte Verzögerungen in den kontaminierten Bereichen zu vermeiden.

Eine weitere Folge der räumlicen Umgestaltung war, dass der unter Covid-Bedingungen weitgehend ungenutzte Besucherraum zur Personalschleuse umfunktioniert wurde. Eine Herausforderung bestand darin, die Lüftungs- und Kühlsysteme in den einzelnen Bereichen so voneinander zu trennen, dass eine unkontrollierte Kontamination ausgeschlossen war. Weiter mussten zum Schutz von Personal und Gerätefunktion mechanische Filter für Beatmungsgeräte verwendet werden.

Mitarbeiterfortbildung zum sachgerechten, ­sicheren und ressourcenschonenden Gebrauch von PSA

Neben der Anpassung der strukturellen Gegebenheiten an die Bedingungen der Pandemie war mindestens in den Anfangszeiten der Krise der befürchtete und zum Teil auch reale Mangel an persönlicher Schutzausrüstung die größte Herausforderung. Gleichzeitig ­bestand ein erheblicher Ausbildungsbedarf für den sachgerechten Gebrauch der zum Teil komplexen Schutz­elemente. Hier konnte aus den Reihen der Bundeswehrkameradinnen in Westerstede auf die Erfahrung ausgebildeter Barrier-Nurses, die schon im Zuge der Ebolakrise spezielle Kenntnisse erworben hatten, zurückgegriffen werden. Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestanden zunächst große Unsicherheiten hinsichtlich verschiedener Fragen:

Die Unsicherheiten in all diesen Bereichen wurde noch verstärkt durch die anfangs zum Teil bestehenden Kommunikationsdefizite zwischen den einzelnen Bereichen des Klinikzentrums (Pflegedienstleitung, Hygieneabteilung, medizinische Ebene) sowie auch zwischen der Ammerland-Klinik und dem Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) insgesamt. Es war dann Aufgabe einer durch das BwKrhs organisierten Schulung aller mit der Behandlung von ­Covid-19-Patienten befassten Mitarbeiter des gesamten Klinikzentrums, diese Unsicherheiten und Kommunika­tionsdefizite vollständig auszugleichen. Die Vorbereitung dieser Schulung wurde aus schon bestehenden Konzepten zur Ebola-Ausbildung abgeleitet (Abbildung 1).

Abb. 1: Dieses Informationsposter fasst die Inhalte der Schulungsmaßnahme zum Umgang mit PSA bei Pandemien zusammen. Es ist in den relevanten Bereichen der Klinik ausgehängt.

Der Download des Schulungskonzeptes kann hier erfolgen.

Ein Resultat dieser Schulung, bei der das An- und Ablegen der PSA immer wieder geübt wurde, war die Entwicklung eines Hilfsmittels, das diesen Vorgang sehr erleichterte. Um die PSA mehrfach verwendbar zu machen und gleichzeitig eine Kontamination des Trägers durch Kontakt mit der Außenseite der PSA zu vermeiden wurde behelfsmäßig ein spezieller Aufhängemechanismus entwickelt, der sich aus einem Infusionsständer und einer Kunststoffröhre herstellen ließ. Die Kunststoffröhre wurde zunächst aus einer Schutzhülle für Bronchoskope improvisiert, später dann durch eine Stange, die aus einem Kunststoffrohr mit Muffe durch den Ehepartner einer Mitarbeiterin des BwKrhs hergestellt wurde (Abbildung 2).

Abb. 2: Zum Einsparen von PSA wurde aus einem Infusionsständer und einer Plastikstange ein PSA–Kleiderständer hergestellt, der es erlaubt, ohne Fremd- oder Eigenkontamination einen PSA-Kittel an- und abzulegen und dadurch mehrfach zu verwenden.

Fazit

Aus Sicht der an der intensivmedizinischen Versorgung in Westerstede beteiligten Pflegepersonen sind aus den bisherigen Erfahrungen mit der Anpassung der Intensivstation an Pandemie-Bedingungen erste Folgerungen zu ziehen und auch Forderungen abzuleiten, die in Zukunft eine Reaktion auf weitere Pandemien oder eine „zweite Welle“ erleichtern können.

Vorbereitung auf die zweite Welle?

Konsequente und fortgesetzte Schulung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist weiterhin zwingend notwendig. Als Zukunftsperspektive wäre deshalb die Schaffung eines klinischen Simulations- und Ausbildungszentrums aus Sicht der Pflege besonders zielführend, in dem durch Schulungen ständig Kenntnisse zum Verhalten in Pandemie- und anderen Krisensituationen, z. B. an neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vermittelt werden können. Ein solches Zentrum wäre dann auch dazu geeignet, spezielle für die Teilnahme an Auslandseinsätzen notwendige Fertigkeiten zu trainieren.

Für die Verfasser

Hauptfeldwebel Christiane Sohr

Bundeswehrkrankenhaus Westerstede

Abteilung XXV/Klinik X – Anästhesie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin

Lange Str. 38, 26655 Westerstede

E-Mail: christianesohr@bundeswehr.org